Hueter der Daemmerung
was meinst du?«
Er zuckte mit den Schultern. Plötzlich schlug ihm das Herz bis zum Hals. »Ich weiß nicht«, sagte er, schaute sich in der umgebauten Kathedrale um und versuchte, uninteressiert zu klingen. »Sie ist viel hübscher als jede Schauspielerin.«
Die drei französischen Mädchen gurrten entzückt. Mike nickte. »Eindeutig die richtige Antwort.« Er hielt Willow die Hand hin. »Ich bin übrigens Mike. Ich komme aus Sacramento, und du?«
»Ich bin aus Maine«, sagte Willow und schüttelte ihm die Hand. Seb spürte ihre ängstliche Unruhe. »Aus Bangor.«
»Ach ja? Und was hat dich hier runter getrieben?«
Ihre lavendelfarbenen Flügel bewegten sich, als sie die Schultern hob. »Vermutlich dasselbe wie alle anderen auch.«
»Wie habt ihr beide euch kennengelernt?«, fragte Nicole und beugte sich vor. Sie hatte Ringe unter den Augen und blickte beifällig auf Willows Engelsflügel. »Haben euch die Engel zusammengebracht?«
»Ahm …« Willow schluckte. Sie blickte zu Seb hoch und suchte seinen Blick. »Ja, irgendwie schon.«
Ihre Hände lagen verkrampft in ihrem Schoß. Er nahm eine von ihnen und sie umklammerte seine Finger. »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er. »Aber wenn du willst, erzähle ich sie euch. Sie ist sehr romantisch.« Er plante bereits, wie er sie möglichst langatmig auswalzen könnte, bis alle vor lauter Langeweile komplett das Interesse an Willow verlören.
»Warte mal, warte mal! Ich weiß, welche Schauspielerin!«, platzte Celine dazwischen und zappelte aufgeregt auf ihrem Platz herum. »Dieses Mädchen mit den langen blonden Haaren, wie heißt sie noch gleich? Sie hat in tausend Filmen mitgespielt!«
Seb erstarrte. Lange blonde Haare. Madre mia, noch eine Minute und sie würde darauf kommen.
»Nein, normalerweise sagen immer alle Keira Knightley«, warf Willow hastig ein. »Oder … oder Katie Holmes.«
»Keira Knightley?« Überrascht runzelte Celine die Stirn. »Nein … na ja, ein winziges bisschen vielleicht …«
Zu Sebs ungeheurer Erleichterung begann in diesem Augenblick der Gottesdienst, perlende Harfenmusik erklang und die Unterhaltung wurde eingestellt. Die drei französischen Mädchen schauten mit leuchtenden Augen nach vorne, während der Prediger die kleine Wendeltreppe zu der mit Engelsflügeln geschmückten Kanzel hinaufstieg. Willow atmete auf. Seb strich mit dem Daumen über ihre Finger. Er stellte fest, dass er durchaus nichts dagegen hatte, sich als ihr Freund auszugeben.
Der dunkelhaarige, breit lächelnde Prediger sah jünger aus, als Seb ihn sich vorgestellt hatte. Er hob die Hände gen Himmel und begrüßte die Gemeinde herzlich per Mikrofon. »Bienvenido a la Catedral de los Angeles.«
Eine ellenlange Predigt über die Liebe der Engel folgte; wie glücklich Mexiko sich schätzen durfte, jetzt seinen eigenen, persönlichen Engel zu haben; viel Aufstehen, Kirchenlieder singen und sich wieder setzen. Celine und die anderen Mädchen kannten die Lieder auswendig, obwohl die Texte auf Spanisch waren. Willow drängte sich eng an Seb, als sie gemeinsam in ein Gesangbuch schauten. Sie hielt den Kopf gesenkt – offensichtlich versuchte sie, ihr Gesicht der Aufmerksamkeit der anderen zu entziehen.
Endlich kam der Moment, in dem der Prediger fragte, ob jemand im Namen der Engel gesegnet werden wollte. Er kam von der Kanzel herunter an die Balustrade vor dem Altar, sein fragender Tonfall schallte durch die Lautsprecher. Allem Anschein nach waren die Engel, die sie bei ihrer Ankunft in der Kathedrale gesehen hatten, inzwischen gesättigt und glücklicherweise verschwunden. Als Seb es überprüfte, konnte er spüren, dass sie sich fürs Erste zu den Engeln in den Büros gesellt hatten.
Zögerlich machten ein paar Leute sich auf den Weg nach vorne, Schritte hallten auf dem glänzenden Marmor wider. Willow drückte vielsagend Sebs Finger, bevor sie ihn wieder losließ. Er nickte. »Entschuldigt uns«, wisperte er Mike zu. Die Augenbrauen des Amerikaners flogen in die Höhe. Seb konnte praktisch hören, wie er dachte: Was – echt? Aber er sagte nichts dazu, als Seb und Willow sich an ihm vorbeidrückten.
Keiner von ihnen sprach, als sie den langen Mittelgang hinuntergingen. Sie wussten beide, dass jeden Moment mehr Engel auftauchen und seine und Willows Energie erkennen konnten, wenn sie nahe genug herankämen. Willow reckte das Kinn und hielt den Blick starr auf die Balustrade geheftet, vor der Leute knieten. Der Prediger segnete bereits den zweiten
Weitere Kostenlose Bücher