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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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dabei, wir hatten ihn nicht zurücklassen wollen. Es hätte wie ein Eingeständnis gewirkt, dass wir vielleicht nicht überleben würden. Auch Sebs Klappmesser steckte wieder in seiner Tasche. Kara hatte es auf sein Bett im AK-Haus gelegt, wo er es gefunden hatte, als er seine Sachen packen wollte. Ich bemerkte, wie seine Gedanken darum kreisten, und dass er sich bewusst war, dass er wahrscheinlich schon bald gezwungen sein würde, es zu benutzen.
    Ich warf einen schnellen Blick auf Sebs Profil. Das Schweigen zwischen uns lag mir schwer auf der Seele. Ich hasste es, umso mehr, da wir beide schon bald tot sein konnten. Aber irgendwie hatte ich immer noch keine Idee, worüber ich mit ihm sprechen könnte. Es war als trenne uns eine Wand. Und ich war nicht in der Lage, sie zu durchbrechen, obwohl ich sie selbst errichtet hatte.
    Ich wollte mich trotzdem gerade dazu aufraffen, etwas zu sagen, was genau weiß ich nicht einmal mehr, aber bevor ich dazu kam, schnappte ich nach Luft und umklammerte meine Hand.
    Schmerz – ich hatte mich geschnitten. Eine Glasscherbe, eine Fensterbank. Verwirrt senkte ich den Blick und erwartete, Blut über meine Handfläche strömen zu sehen.
    »Willow?« Seb beobachtete mich mit einem Stirnrunzeln.
    Ich schüttelte den Kopf, während ich mit den Fingern über meine unverletzte Haut strich. Halb ging ich davon aus, auf ein Stückchen Glas zu stoßen. Ich konnte fühlen, wie es in meiner Hand steckte – nein, jetzt wurde es herausgezogen. Ich biss die Zähne zusammen, spürte, wie es aus der Wunde glitt und einen warmen Blutschwall. Ein Waschbecken, das aus einer eleganten weißen Platte bestand. Hellrot gefärbtes Wasser, das in einen Abfluss gurgelte. Gut, dass es bald wieder aufhört – man muss doch schließlich perfekt aussehen, wenn das Konzil stirbt, nicht wahr? Schließlich könnte das mein erster Moment als neues Seraphisches Oberhaupt sein.
    Die Bilder und die Stimme in meinem Inneren verblassten. Alles drehte sich. Raziel.
    »Willow, was ist los? Was siehst du?« Sebs Stimme hatte einen drängenden Ton angenommen und übertönte den Lärm des Zugs. Er wollte nach meinem Arm greifen, zog dann aber die Hand wieder zurück.
    »Warte«, murmelte ich. »Ich muss nur …« Wirre Gedanken wirbelten durch meinen Kopf: Der Strom aus Energie in meiner ersten Nacht in Mexico City, so reißend und pulsierend, dass ich Angst gehabt hatte, darin zu ertrinken – und wie er nur Sekunden später schon wieder versiegt war. Das Gefühl beobachtet zu werden. Die verzweifelte Unruhe meines Engels und wie das, was sie beunruhigt hatte, im selben Moment verschwand, als Seb und ich angefangen hatten danach zu suchen.
    Der Zug, die Menschen, alles wirkte völlig surreal. Ich schloss meine Augen und machte mich abermals fieberhaft auf die Suche, doch meine Frustration wuchs mit jeder Sekunde, denn da war nichts. Aber ich hatte Raziel gefühlt – was er tat, was er dachte. Er war da drin, irgendwie. Es musste so sein.
    Und dann dämmerte es mir. Wenn ich ihn in meinem Inneren nicht finden konnte … dann war ich vielleicht in seinem Inneren.
    Ich verlagerte meine Bewusstseinsebene und versuchte, meine eigene Energie aufzuspüren, genauso wie ich sonst nach Alex’ Energie suchte, indem ich mich treiben ließ, meine Fühler ausstreckte, sie einfach auf mich zukommen ließ. Nach einer Weile erschien ein silbern- und lavendelfarbenes Flackern. Ich schluckte, als ich das sanfte Licht begutachtete und mich fragte, ob meine Ahnung wohl stimmte. Instinktiv wusste ich, dass ich sehr, sehr vorsichtig sein musste.
    Mit allergrößter Behutsamkeit berührte ich das kleine Energiekörnchen mit meinen Gedanken … und fand mich in Raziels Bewusstsein wieder. Eine Welt aus hohen Türmen und in Roben gekleideten Wesen. Ein Amphitheater, in dem Vorlesungen telepathisch abgehalten wurden, und alles war so langweilig, langweilig. Die Wand zwischen den Welten, durch die er Zigtausend Mal hindurchgeschlüpft war, um sich an der Menschheit zu laben.
    Das Wissen floss in mich hinein wie Wasser in ein Glas. Ich holte tief Luft, der Schock fuhr mir eiskalt durch sämtliche Glieder. Mein Gott, es steckte nicht nur ein Funken von mir in Raziel, nein, in mir steckte auch ein Funken von ihm. Übelkeit stieg in mir auf, als mir klar wurde, dass er mich die ganze Zeit ausspioniert hatte – dass er meine geheimsten Gedanken und Gefühle kannte. Und unsere Pläne. Dafür sah ich jetzt seine. Sophie, ein USB-Stick. Ein falsch

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