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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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ihm der Duft ihres Shampoos in die Nase, es roch nach Orangen. »Lass mich raten – ein Schwertkampf mit Piraten, stimmt’s?«
    »Nur ein Kratzer von einer Katze. Einer ziemlich großen Katze allerdings.« Selbst ohne die sinnlichen pinkfarbenen Lichter, die ihre Aura durchzogen, war Seb vollkommen klar, dass Lucy ihn ein kleines bisschen anbaggerte. Als sie seinen Arm berührte, wusste er, ohne dass er sich darum bemühen musste, dass sie sich fragte, wie es wäre, ihn zu küssen, und Pläne schmiedete, wie sie ihn später im Hostel allein erwischen könnte.
    Aus alter Gewohnheit wollte er sich ihr sanft entziehen, doch dann hielt er inne. Während des letzten Jahres hatte er die Gegenwart seines Halbengel-Mädchens immer deutlicher gespürt. Irgendwann war das Gefühl schließlich so stark geworden, dass Seb sogar seine kurzen Abenteuer mit menschlichen Mädchen aufgegeben hatte, weil es ihm vorkam, als würde er sie damit betrügen. Aber sie war ja nicht real, war es nie gewesen – das musste er endlich in seinen Schädel kriegen. Seitdem er seine Suche aufgegeben hatte, war er sogar noch einsamer gewesen als sonst. Er war sich schmerzlich bewusst, dass er das einzige Exemplar seiner Gattung war. Dieses Mädchen war nicht auf eine Beziehung mit ihm aus, also warum nicht? Sie mochte ihn ganz offensichtlich – und es war schon so, so lange her.
    Wie als Antwort machte sich sein Halbengel-Mädchen wieder bemerkbar. Der Eindruck trieb vorüber wie ein schwacher Duft von Parfüm. Seb presste die Zähne zusammen. Warum konnte sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen, anstatt ihn immer wieder höhnisch an das zu erinnern, was er niemals haben konnte?
    Er machte keinen Rückzieher. Und einen Augenblick später spürte er, wie Lucys Hand an seinem Arm hinunterglitt, bis sie seine Hand fand. »Vielleicht kannst du mir ja später noch die Zukunft vorhersagen«, sagte sie leise, im Schutz des Lärms einer Mariachi-Band, die gerade angefangen hatte zu spielen.
    Seb las die unverblümte Einladung in ihrem Blick. Kein Menschenmädchen konnte ihm je die wahre Gefährtin sein, nach der er sich sehnte, das wusste er. Das hier war für ihn das Höchste der Gefühle – und er würde zugreifen, denn er war kein Heiliger und konnte nicht den Rest seines Lebens allein verbringen, ohne die warmen Berührungen eines anderen Menschen.
    Er wehrte die Schwermut ab, die er empfand, verbannte das schöne Phantom aus seinen Gedanken und ließ zu, dass sich seine Finger um Lucys Hand schlossen. »Sicher?«, fragte er. »Ich werde dir nämlich alle deine Geheimnisse entlocken.«
    »Versprochen?« Sie lächelte und warf ihren Pferdeschwanz zurück. Sie fügte noch etwas hinzu, doch er hörte es nicht, denn urplötzlich war eine blendend weiße Gestalt über ihren Köpfen aufgetaucht. Ein Engel kreiste über dem Platz. Seine Flügel loderten im Licht der späten Nachmittagssonne auf, während er dahinglitt und auf das Gedränge der Marktbesucher heruntersah.
    Reflexartig ließ Seb seine Aura die trübsten Farben annehmen, die er sich vorstellen konnte, sodass sie verkümmert und unappetitlich wirkte. Er hatte erst einmal mit einem Engel gekämpft und verspürte nicht den geringsten Wunsch, diese Erfahrung zu wiederholen. »Kommt, wir gehen hier lang«, sagte er und zog Lucy an der Hand. Amanda war zurückgeblieben und sah sich Schmuck an. Er nahm auch sie beim Arm. »Komm, da drüben ist ein Stand, den ich euch zeigen will.«
    »He!«, protestierte Amanda, als er sie wegzog. »Ich wollte das kaufen.«
    »Nein, lass mal«, sagte er. »Der Stand hier ist viel besser, versprochen.«
    Er warf einen Blick über die Schulter und sah, wie der Engel ein Opfer wählte und landete. In seinem strahlenden Glanz schien der Marktplatz zu verblassen. Verwundert starrte der Mann das Wesen an, das da die Hände nach ihm ausstreckte. Mit einem sanften Lächeln legte der Engel seine leuchtenden Hände auf die Aura des Mannes und fing an, sich zu nähren.
    Seb führte die Mädchen zu einem anderen Schmuckstand. Während sie lachend Ringe anprobierten, wurde sein Blick erneut von dem Engel angezogen, der umhüllt von flirrendem Licht schließlich wieder davonflog. Obwohl er inzwischen nicht mehr davon träumte, selbst ein reinblütiger Engel zu sein, konnte er die alte verzweifelte Sehnsucht nach ihrer Stärke und ihrer Macht, die ihm mit dreizehn so verlockend erschienen war, nicht vollständig unterdrücken. Über seine Gefühle bezüglich der

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