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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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haben nicht viel Zeit!«
    Die Berührung war die eines Engels. Die Stimme keine, die er gehört hatte, seitdem er hier im Bett lag – wie lange schon? Einen Tag? Eine Woche? Mit schrecklicher, plötzlicher Klarheit brach das, was er während seiner Bewusstlosigkeit gespürt hatte, über ihn herein und Raziel riss die Augen auf. Als er sah, wer da an seiner Bettkante saß, richtete er sich mühsam auf. In seinem Kopf drehte sich immer noch alles.
    »Charmeine«, sagte er.
    Sie trug graue Hosen und einen Angorapullover, der eine Schulter unbedeckt ließ. Ihr langes weißblondes Haar fiel wie ein glänzender Wasserfall herab. Raziel betrachtete sie, genüsslich und äußerst argwöhnisch zugleich. Er und Charmeine waren einmal ein Paar gewesen. Jetzt waren sie so etwas wie Freunde. Er blieb aber stets auf der Hut, denn hin und wieder war Charmeines Charakter dem seinen einfach viel zu ähnlich. Während der letzten zwei Jahre hatten sie sporadisch Kontakt gehalten. Dass sie vorgehabt hatte, sich der Zweiten Welle anzuschließen, war ihm allerdings neu. In Anbetracht des plötzlich aufgetauchten Konzils fand er es nicht gerade beruhigend, sie jetzt hier an seinem Bett vorzufinden.
    »Ich weiß, was du denkst, aber du irrst dich – du kannst mir vertrauen, versprochen.« Charmeine nahm seine Hand und er spürte, wie sie sich ihm öffnete, womit sie ihre ehrlichen Absichten bewies. Was durchaus nett war, aber wenig zu bedeuten hatte. Es war eine gängige Vorgehensweise, jemandem Zutritt zu seinen Gedanken zu gewähren, um ihm dann haargenau das vorzuführen, was er sehen sollte.
    »Die Zwölf sind hier, Raziel. Und …«
    »Ich weiß«, unterbrach er sie bitter und zog seine Hand weg. Ihm war immer noch schwindelig. »Nur drei oder vier Jahre früher als geplant, was sagt man dazu. Und warum? Hat ihnen jemand einen Tipp gegeben?« Wie viele Engel hatte auch Raziel unbewusst gewisse Eigenarten von einigen seiner früheren menschlichen Energiespender übernommen. Seinen britischen Akzent hatte er schon seit Jahren.
    »Nein, was ich eigentlich sagen will, ist: Sie sind hier«, antwortete Charmeine ruhig. »Unten. In der Kathedrale. Sie haben mich losgeschickt, um dich zu holen.«
    Raziel gelang es nicht, den Schock zu verbergen, der ihn heiß durchfuhr. »Sie lassen mich holen? In meiner eigenen Kathedrale?«
    »Ja«, sagte Charmeine. »Und ja, sie sind tatsächlich hier, weil sie einen Tipp bekommen haben. Ich weiß nicht von wem, aber sie sind über alles, was du so getrieben hast, bestens informiert -und das schon seit Monaten. Sie haben bereits Pläne gemacht.«
    Beklommen fragte er: »Was für Pläne?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das wirst du noch früh genug herausfinden, fürchte ich.«
    Typisch Charmeine! Erst erging sie sich in Andeutungen und rückte dann nicht mit der Sprache heraus. Raziel zog die Stirn kraus, machte sich aber nicht die Mühe, ihre Gedanken zu durchsuchen.
    Die Engel hatten Tausende von Jahren Zeit gehabt, die Kunst psychologischer Winkelzüge zu vervollkommnen – und Charmeines Abwehrstrategien waren ebenso ausgefeilt wie seine.
    »Und was ist deine Rolle in diesem Spiel?«, erkundigte er sich stattdessen. »Was soll das heißen, sie haben dich geschickt?«
    »Mir wurde, sagen wir mal, nachdrücklich angeraten, mich der Zweiten Welle anzuschließen und ihnen zu dienen«, entgegnete Charmeine. »Sie haben entschieden, dass nur noch der Familie zu trauen ist. Sogar einem schwarzen Schaf wie mir.«
    Charmeine war ein Mitglied der »Ersten Familie« – ein Engel, der bald nach den Zwölf erschaffen worden war. Sie war keine besonders enge Verwandte, mehr eine Art entfernte Cousine. Aber ihre elementare Struktur war der der Zwölf immer noch ähnlicher als die anderer Engel, was theoretisch hieß, dass die Zwölf sie psychisch leichter unter Kontrolle halten konnten. Zweifellos erklärte das auch ihre plötzliche Sehnsucht nach ihrer »Familie«.
    »Also haben sie dich ihnen hörig gemacht«, fasste Raziel zusammen. »Du bist jetzt einer ihrer willenlosen Lakaien und sie sind über alles, was du tust oder lässt, im Bilde.«
    Charmeine hob ihre schmalen Schultern. »Das glauben sie. Ich denke, sie wären überrascht, wie stark meine Abwehrkraft ist. Dieses Ding mit den familiären Energieströmen ist nämlich keine Einbahnstraße – ich habe Bewusstseinsschichten, von denen sie noch nicht mal den leisesten Schimmer haben.«
    Raziel musterte sie aufmerksam. Falls das stimmte, waren das

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