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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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die auf Raziels Seite waren, konnten ihm dafür die nötige Unterstützung gewähren. Und deshalb hatten sämtliche Berichte an das Konzil die Bedeutung der Church of Angels und Raziels wachsende Hausmacht stets sorgfältig heruntergespielt.
    Das hatte er zumindest geglaubt.
    Als er die Dusche ausstellte, überfiel es ihn urplötzlich: Mexico City. Der Halbengel war in Mexico City – und auch sie wusste von der Anwesenheit des Konzils. Die Erkenntnis war so flüchtig wie eine Seifenblase, ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Raziel runzelte die Stirn, Wasser lief ihm in die Augen und er fragte sich, ob er verrückt wurde. Vergiss den Halbengel, dachte er. Er konnte es immer noch kaum ertragen, das Wort »Tochter« zu benutzen. Momentan gab es Wichtigeres, womit er sich befassen musste.
    Als er zurückkam, war Charmeine ins Wohnzimmer umgezogen. Nachdem er sich eine unauffällige, aber teure graue Hose angezogen hatte, ging Raziel hinüber zu seinem Lieblingssessel, wo sie sich zusammengerollt hatte wie eine Katze. Er wusste, dass sie ein umwerfendes Paar abgegeben hatten -sie, die zarte Mondschein-Schönheit und er mit seinem rabenschwarzen Haar und den Gesichtszügen eines Dichters. Wäre er sentimental veranlagt gewesen, hätte er ihr eventuell etwas weniger Misstrauen entgegengebracht. Aber glücklicherweise war er vollkommen unsentimental.
    »Und? Was führst du im Schilde?«, erkundigte er sich, während er sein mitternachtsblaues Hemd zuknöpfte. »Wieso steckst du mir, dass es Ärger gibt?«
    Charmeine wirkte belustigt. »Um der alten Zeiten willen?«, schlug sie vor.
    »Was für ein Ausbund an Selbstlosigkeit du doch bist«, gab Raziel zurück und steckte sein Hemd in die Hose. »Vergiss bitte nicht, dass ich es bin, mit dem du sprichst. Und ich kenne dich, ich kenne dich sehr, sehr gut. Was heckst du aus?«
    »Nicht doch«, sagte Charmeine. Ihr hübsches Gesicht war undurchdringlich. Sie erhob sich und kam zu ihm herüber. Träge ließ sie einen Fingernagel um einen seiner Hemdknöpfe kreisen. »Ich habe lediglich das Gefühl, du könntest in dieser Welt schon bald einen Freund brauchen, weiter nichts. Und ich glaube, unsere wechselseitigen Bedürfnisse könnten sich hervorragend ergänzen.«
    Raziel verzog keine Miene, als er zu ihr heruntersah. »Weiß das Konzil über uns beide Bescheid?«, fragte er scharf.
    Ihre Hand wanderte zu seinem Nacken hinauf und spielte mit seinen Haaren. »Natürlich. Sie haben mein Bewusstsein durchforscht und alles gesehen, was ich sie sehen lassen wollte«, sagte sie. »Und darum wissen sie, dass ich dich ganz, ganz doll hasse und alles tun würde, um mich an dir zu rächen.«
    Raziel wollte noch etwas sagen, doch dann verstummte er. Sie spürten es beide – etwas zupfte grob an ihrem Bewusstsein, als wären sie zwei Fische an einer Angel, die von unsichtbarer Hand eingeholt wurde.
    »Vorhang auf«, murmelte Charmeine und ließ die Hand sinken. »Ach übrigens, deine Kathedrale wird für eine ziemlich unerfreuliche Sache herhalten müssen. Notwendig, nehme ich an, aber … unerquicklich.«
    Diese Geheimniskrämerei war doppelt ärgerlich, wenn es sich bei dem Ort, um den es ging, um sein eigenes Revier handelte. Ohne zu antworten, wechselte Raziel seine Erscheinungsform und flog aus dem Zimmer. Lautlos glitt er durch die Wände. Charmeine folgte ihm. Als sie unter der hohen Deckenkuppel in den Hauptraum der Kathedrale segelten, sah Raziel, dass sich die Zwölf in ihren menschlichen Körpern unten, in der Nähe der weißgeflügelten Kanzel, versammelt hatten. Und um den Spaß perfekt zu machen, hatten sie auch Publikum mitgebracht – ungefähr fünfzig Engel saßen in den angrenzenden Kirchenbänken.
    Raziel kniff die Augen zusammen, als er die Verwüstungen begutachtete, die der Versuch des Halbengels, die Pforte zu zerstören, hinterlassen hatte: die verformten Bodendielen; die fehlenden Deckenpaneele; die Metallgerüste an der Stelle. Erneut packte ihn die helle Wut, dass sie es überhaupt gewagt hatte -und dass die traurigen Früchte ihrer Bemühungen dem Konzil und seinen Speichelleckern einen grauenvollen Anblick boten. Mexico City, dachte er wieder. Sie ist in Mexico City. Und obwohl er die Erkenntnis fürs Erste beiseiteschob, hoffte er inständig, dass sie wahr war. Zu wissen, wo sich diese Kreatur aufhielt, bedeutete, dass er nur noch einen Schritt davon entfernt war, sie und ihren Killerfreund auslöschen zu lassen.
    Er landete vor dem

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