Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
Vom Netzwerk:
interessante Neuigkeiten. »Und was meinst du, wie lange du sie an der Nase herumführen kannst, bis sie dir auf die Schliche kommen?«
    »Lange genug, hoffentlich.«
    Sie hatte es leicht und unbekümmert dahingesagt. Doch Raziel wusste, dass Charmeine noch nie in ihrem ganzen Leben etwas nur so dahingesagt hatte – wie für die meisten Engel waren Anspielungen und Doppeldeutigkeiten ihr Lebenselixier. Raziel warf die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Er trug einen Seidenpyjama, den er sich für gewöhnlich sparte. Offensichtlich hatte ihn einer seiner menschlichen Krankenpfleger hineingesteckt.
    »Ich sehe schon«, sagte er. »Entzückend geheimnisvoll wie eh und je. Na schön. Ich gehe duschen und ziehe mir etwas anderes an.«
    »Lass dir nicht zu lange Zeit«, warnte ihn Charmeine mit einem Blick zur Tür. »Sie erwarten dich in Kürze dort unten.«
    »Ich nehme mir so viel Zeit, wie es mir passt«, schnauzte er. »Das hier ist meine Kathedrale. Die haben hier überhaupt nichts zu melden!«
    Trotz seiner markigen Worte merkte er, dass er sich mit seinem Bad beeilte, was ihn erzürnte. Unter dem Ärger lauerte allerdings dieselbe unterschwellige Furcht, die er während seiner Bewusstlosigkeit verspürt hatte. Dass das Konzil die wahren Ausmaße seiner Macht auf Erden bereits aufgedeckt hatte, kam unerwartet. Seit der Ersten Welle war ihr Wissen um das, was sich hier abspielte, etwas lückenhaft gewesen. Nur einige wenige Erstauswanderer besaßen die Fähigkeit, mit ihnen über die Dimensionen hinweg zu kommunizieren. Und im Laufe der Zeit hatten sich die Loyalitäten verlagert. Es hatte nicht lange gedauert, bis sich die Engel, die hier lebten, Raziel und anderen Kennern dieser Welt stärker verbunden fühlten als der alten Garde zu Hause – und ebenso schnell hatten sie erkannt, welch verlockende Möglichkeiten die Macht, die sie hier untereinander aufteilen konnten, bot.
    Denn das, was niemand hatte vorhersehen können, war die Church of Angels, die am schnellsten wachsende Religion aller Zeiten. Obwohl sie von Menschen gegründet worden war, hatten die Engel sie sich schnell zunutze gemacht. Ganz besonders Raziel, den die selbstverständliche Herrschaft der Zwölf, die auf ihrem Status als »Erstgeschaffene« basierte, schon immer geärgert hatte. Man hatte die Wahl: Entweder rangelte man bis in alle Ewigkeiten um eine Position als einer ihrer Lakaien oder man versuchte, sich irgendwo anders eine eigene Nische zu schaffen. Die massenhafte Präsenz der Engel in dieser Welt hatte Raziel die Gelegenheit geboten, nach der er sich bereits seit Jahrtausenden verzehrte. Er hatte nicht lange gebraucht, um die Kontrolle über die Kirche an sich zu reißen und sich an ihre Spitze zu setzen.
    Unter seiner Leitung war die Church of Angels schon bald zur einflussreichsten Kirche der Welt aufgestiegen. Mittlerweile waren die Engel so fest im öffentlichen Bewusstsein verankert, dass selbst Menschen, die ihnen nie begegnet waren, die Raubtiere, die ihnen nach dem Leben trachteten, vorbehaltlos willkommen hießen.
    In Mexico City war die Catedral Metropolitana kürzlich in eine Kirche der Church of Angels umgewandelt worden – ein bemerkenswerter Coup, nicht zuletzt aufgrund der relativ mageren Beachtung, die ihm die Presse geschenkt hatte. Man betrachtete diese Entwicklung schlicht und einfach als den natürlichen Lauf der Dinge. Raziel hatte vor, die Leitung dieser neuen Kathedrale zu gegebener Zeit selbst zu übernehmen und zwischen den USA und Mexiko zu pendeln. In London war die Rede davon, St. Pauls gleichermaßen umzuwandeln, in Paris ging es um Notre Dame.
    Bislang nichts weiter als Gerede (in Europa war die Präsenz der Engel noch nicht so weit gediehen), aber Raziel zweifelte kaum daran, dass diese Pläne infolge der Zweiten Welle vorangetrieben werden würden. Er hatte erwartet, bis dahin den größten Teil Nordamerikas und Lateinamerikas unter seiner Kontrolle zu haben und sich selbst in seiner Vorstellung schon als eine Art Papst gesehen, mit untergebenen Engeln, die in seinem Namen unter seinem Zepter regierten. Und sobald sich das Konzil in der Welt niedergelassen und erkannt hätte, was vor sich ging, hätten sie schon einen regelrechten Krieg anzetteln müssen, um ihm die Macht wieder zu entreißen. Und bis dahin hätte er mehr als genug Verbündete gehabt, um ihnen die Stirn zu bieten.
    Momentan stand die Kirche an einem Wendepunkt: Sie war im Begriff, die Weltherrschaft zu übernehmen und jene Engel,

Weitere Kostenlose Bücher