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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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war, und nachdem er ein wenig nachgebohrt hatte, entschied Raziel, dass wohl nichts Besonderes dahintergesteckt hatte.
    Doch dann verharrte seine Hand auf ihrem Bein, als er zufällig auf etwas anderes stieß. Was? Er überprüfte es erneut, aber er hatte sich nicht getäuscht. Sprachlos starrte er Charmeine an.
    »Ich habe mich schon gefragt, wann du darüberstolpern würdest«, sagte sie, ohne die Augen zu öffnen. »Sie haben es uns vor ein paar Tagen mitgeteilt. Das ist auch der Grund, warum wir drei Wochen in Mexico City verbringen werden. Ich fand das schon immer ziemlich lang für die bloße Ernennung eines Kirchenoberhaupts.«
    Raziel schüttelte den Kopf, immer noch halb versunken in die Bilder, die auf ihn einströmten. »Was wollen sie denn damit erreichen? Sie müssen verrückt sein!«
    Charmeine setzte sich auf und sah ihn spöttisch an. »Sagen wir mal so, sie sind sehr darauf erpicht, dass Engel Engel bleiben. Sie sind der Meinung, dass der Aufenthalt in dieser Welt uns alle in verfressene Schleckermäuler verwandelt, die sich nicht mehr aus Notwendigkeit, sondern zum Vergnügen nähren. Sie wollen nicht, dass wir uns zu viel unter die Menschen mischen, außer wenn es sich gar nicht vermeiden lässt.«
    Das war nichts Neues. Raziel dachte an seine Begegnung mit den Zwölf unten im Konferenzraum und schnaubte. Während er mit den Fingern auf das Sofa trommelte, überdachte er die Implikationen dessen, was er gerade gesehen hatte. Obwohl sich die zwei Dimensionen schon vor Urzeiten getrennt hatten, waren die Welt der Menschen und die der Engel einstmals eine einzige Welt gewesen – und das bedeutete, dass die Zwölf auch mit der Energie dieser Welt verhaftet waren. Für sich genommen bereitete ihm dieser Umstand kein großes Kopfzerbrechen. Der Preis, den die Menschenwelt für den Tod des Konzils möglicherweise zu zahlen hatte, war für ihn immer etwas gewesen, das man getrost vernachlässigen konnte – das wirklich Entscheidende war die Verbindung der Engel untereinander.
    Aber jetzt hatten sie diesen total verrückten Plan gefasst: Sie wollten ihre Verflechtung mit der Erdenenergie verstärken, um Orte, die auf Engel besonders lebhaft und aufreizend wirkten, zu beruhigen. Sodass die Engel in aller Welt geneigter wären, ihren niederen Instinkten zu widerstehen. Wie edel. Und wie … interessant in Bezug auf die möglichen Folgen ihres Todes.
    Mit einem seidigen Geraschel schwang Charmeine die Füße von seinem Schoß und setzte sich dicht neben ihn. »Du hast es dir aber doch nicht anders überlegt, oder? Ich nämlich nicht, auch wenn es das Risiko beträchtlich erhöht.«
    Raziel hatte ihr einen vernichtenden Blick zugeworfen. »Werden sie das Feld räumen und meinen Herrschaftsanspruch hier anerkennen? Wie war das? Die Antwort lautet ›Nein‹? Na dann habe ich meine Meinung auch nicht geändert.«
    Jetzt, allein in seinem Büro, war Raziel sich darüber im Klaren, dass er ihr Glück mit seiner unüberlegten Presseerklärung noch weiter herausgefordert hatte. Nur um sich zu versichern, dass weiterhin alles in Ordnung war, öffnete er seine Verbindung zu Willow. Er überprüfte sie oft, um sich über die Fortschritte der Engelkiller auf dem Laufenden zu halten, obwohl er zugeben musste, dass das Mädchen ihn auf seltsame Art und Weise auch faszinierte. Die Unruhe ihres Engels, seit er zum ersten Mal in ihre Gedanken eingedrungen war, hatte ihn außerordentlich überrascht. In irgendwelchen tiefen Schichten ihres Unterbewusstseins spürte Willow offensichtlich, dass etwas nicht stimmte. Und obzwar Raziel die Verzweiflung seiner Tochter nicht genug berührte, als dass er versucht hätte, ihr die Sache leichter zu machen, fand er sie nichtsdestotrotz interessant. Ihre übersinnlichen Fähigkeiten waren stärker als erwartet.
    Sein Mobiltelefon klingelte und holte ihn mit einem Ruck zurück in sein Büro. Mit einem Blick erfasste er Charmeines Namen auf dem Display. Sie hatte nicht häufig die Gelegenheit, ihn anzurufen und auf den neuesten Stand zu bringen. Er klappte das Handy auf. »Ja? Was gibt’s?«
    »Es ist etwas passiert«, sagte sie knapp.
    Raziel zuckte zusammen, er hatte darauf gewartet. »Lass mich raten – sie haben mein Interview gesehen.«
    Sie stieß ein Schnauben aus. »Raz, die ganze Welt hat dein Interview gesehen. Natürlich haben sie es gesehen. Und sie sind ärgerlicher, als du es dir vorstellen kannst. Aber das habe ich nicht gemeint. Es ist noch etwas geschehen –«

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