Hueter der Daemmerung
gefunden?«, fragte ich schließlich.
Seb blickte auf unsere verschränkten Hände hinunter, sein Griff verstärkte sich. »Du hast von mir geträumt«, sagte er heiser. Ich versteifte mich. Oh mein Gott, woher wusste er das? »Du hast geträumt, wir wären in einem Park in el DF, also bin ich hergekommen«, fuhr er fort. »Ich komme schon seit Wochen in den Chapultepec und versuche, dich zu finden.«
»Aber …«
»Ich habe dein Shirt, dein Bild. Ich habe gesehen, dass du es bist und ich …« Wieder hob er den Blick und der Ausdruck in seinen haselnussbraunen Augen zerriss mir das Herz. Jede weitere Frage schien plötzlich belanglos. Er schluckte. Wie in Zeitlupe streckte er die Hand aus und berührte mein Haar, als wäre es etwas Zerbrechliches und Kostbares. »Willow, ich habe so lange nach dir gesucht. Ich kann dir gar nicht sagen, was für ein Gefühl das war, zum ersten Mal dein Bild zu sehen, was mir das bedeutet hat. Ich –«
Hinter uns auf dem Weg waren hastige Schritte zu hören. »Willow!«, rief Alex’ Stimme und schlagartig wurde mir siedend heiß bewusst, dass ich dastand und mit einem Fremden Händchen hielt, während ich ihm tief in die Augen schaute. Ich zog meine Hand weg, als Alex angerannt kam, aber ich wusste, dass er es gesehen hatte.
Alex blieb vor uns stehen. Vom schnellen Laufen waren seine Haare zerzaust. Verwirrt und bestürzt guckte er mich an und der Blick, den er Seb zuwarf, war voller Misstrauen. »Willow, was ist hier los? Wer ist dieser Typ? Ich habe gesehen, wie du mit ihm weggerannt bist und ich habe gedacht … bist du okay?«
»Ja«, sagte ich und legte eine Hand auf seinen Arm. Die reine menschliche Energie durchströmte mich. Ich brauchte eine Sekunde, um mich umzustellen, aber dann war es wieder ganz einfach nur Alex, warm und vertraut. »Ja, mir geht es gut«, wiederholte ich. Ich wollte gerade anfangen, ihm alles zu erklären, als es mir urplötzlich wieder einfiel: »Alex! Das Konzil ist da! Sie waren in dem Schwärm dort oben!«
Ihm klappte die Kinnlade herunter. »Das Konzil? Bist du sicher? Sie sollen doch erst in fünf Wochen hier eintreffen!«
»Ja, sie waren es. Definitiv. Zwölf strahlende Engel, genau wie in meinem Traum. Sie sind oben in diesen Turm da geflogen.« Ich zeigte mit dem Finger darauf, während ich meine Augen gegen die Sonne abschirmte.
»Der Torre Mayor«, murmelte Alex und starrte hinauf. »Was zum Teufel haben sie da zu suchen? Warum sind sie nicht im Nikko?«
»Vermutlich haben sie ihre Pläne geändert.« Dürre, nutzlose Worte. »Oder vielleicht gehen sie ja später noch ins Hotel?«
Alex seufzte gequält auf, den Blick immer noch auf die schimmernde Spitze geheftet. »Oh Gott, hoffentlich. Wir wissen nichts über dieses Gebäude – wir haben keine Grundrisse, wir haben nichts, gar nichts. Und mein Team ist noch nicht mal richtig ausgebildet.« Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Ich merkte, wie erschüttert er war.
Eine Pause entstand, dann sah er von mir zu Seb. In seiner Miene spiegelte sich Verwirrung. »Okay«, sagte er langsam. »Wer ist das? Und warum hast du –« Er sprach nicht weiter.
Händchen mit ihm gehalten. Ich wurde rot. Seb lehnte am Sockel der Statue und hörte zu. Ich konnte fühlen, wie enttäuscht er war, dass wir unterbrochen worden waren, und verwundert stellte ich fest, wie leicht es mir bereits fiel, seine Gedanken zu lesen. Noch nie zuvor hatte ich mich jemandem so stark und unmittelbar verbunden gefühlt.
»Alex, das ist Seb. Er –« Ich brach ab. »Seb, ist es in Ordnung, wenn ich es ihm erzähle?«
»Mir was erzählst?« Alex’ Augenbrauen hatten sich zusammengezogen. »Willow, was ist hier los?«
Ich schaute kurz zu Seb, der ergeben mit den Schultern zuckte. »Er ist ein Halbengel«, sagte ich.
Alex hätte nicht perplexer sein können, wenn ich ihm mit einem Holzhammer auf den Kopf gehauen hätte. »Er ist WAS?« Ruckartig wandte er sich Seb zu. Schnell ließ er sein Bewusstsein durch seine Chakren steigen. »Seine Aura ist grün, nicht silbern. Aber seine Energie …« Seine Augen weiteten sich. »Oh Mann, es stimmt! Aber was ist mit deiner Aura?«
So klar und deutlich, als würde ich selbst es denken, merkte ich, wie sehr es Seb missfiel, dass Alex darüber Bescheid wusste. Er hatte den Umstand, dass er seine Aura verändern konnte, stets geheim gehalten. Seiner Körpersprache konnte man das allerdings nicht entnehmen: Er sah wie die personifizierte Lässigkeit aus, wie er dort
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