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Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. A. Weatherly
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an der Statue lehnte.
    »Du kannst Auren sehen«, sagte er. »Die meisten Menschen können das nicht.«
    Die meisten Menschen. Die Worte ließen mich zusammenzucken – Seb betrachtete sich nicht als Mensch. Ich mich schon, irgendwie, obwohl ich es so eindeutig nicht war.
    »Ich bin dafür ausgebildet worden«, erwiderte Alex knapp. »Beantworte meine Frage.«
    Seb warf ihm einen Blick zu. Man musste kein Gedankenleser sein, um zu sehen, dass er es nicht schätzte, herumkommandiert zu werden. »Ist nicht besonders schlau, sie zu zeigen, wenn Engel in der Nähe sind«, sagte er dann doch. »Also habe ich sie verändert.«
    »Warte mal – du kannst deine Aura verändern?«, wiederholte Alex. Seine Augen verengten sich. »Wie, etwa absichtlich?«
    Sebs Stirn legte sich in Falten. Alex sagte etwas in schnellem Spanisch und er nickte. »Ja, absichtlich.« Ein ironisches Lächeln. »Dein Spanisch ist sehr gut, amigo.«
    Bei dem Wort amigo bedachte Alex ihn mit einem Blick und ich wusste, dass er immer noch daran dachte, wie Seb meine Hand gehalten hatte. »Ja, danke«, sagte er. »Also gibt es jede Menge Halbengel, oder –«
    »Nein«, sagten Seb und ich im Chor. »Nein«, fuhr ich fort und räusperte mich. »Seb … Er hat noch nie einen anderen getroffen. Und er hat den größten Teil seines Lebens danach gesucht.«
    Mir fiel auf, dass Seb bemerkte, was für einen tiefen Einblick in seine Gedanken ich durch das Halten seiner Hand bekommen hatte. Hatte er auch etwas von mir erfahren?, überlegte ich plötzlich. Kannte Seb mich jetzt so gut wie ich ihn? Unter seinem unverwandten Blick fingen meine Wangen an zu glühen. Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen. Mein Gott, was war nur mit mir los? Warum geriet ich völlig aus dem Häuschen, bloß weil irgendein Halbengel-Junge meine Hand gehalten hatte?
    Alex schwieg. Ich konnte beinahe sehen, wie er sich alles durch den Kopf gehen ließ. »Noch ein Halbengel«, murmelte er. »Oh Mann.« Er lehnte sich an das Brückengeländer und verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei beobachtete er Seb sorgfältig. Die Ärmel seines blauen Sweatshirts waren hochgeschoben und entblößten seine durchtrainierten Unterarme.
    »Wie hast du sie gefunden?«, fragte er.
    »Jemand hat euch in Chihuahua euer Zeug gestohlen.« Er sprach mehr zu mir, als zu Alex. »Ein paar Kleidungsstücke und ein Foto. Ich habe sie auf dem Markt gekauft, und als ich sie berührt habe, konnte ich … alles sehen.«
    Ich habe dein Shirt, dein Bild. Auf einmal fielen die Puzzlestückchen an ihren Platz. Seb hatte meinen Traum aus meinem Shirt herausgelesen – ich hatte stundenlang über seine Bedeutung nachgegrübelt, als ich es zuletzt getragen hatte.
    »Und danach?«, fragte Alex nach einer Pause. »Woher wusstest du, wo wir waren?«
    Seb sah mich kurz an. Mir sank das Herz, als es mir wieder einfiel: Ich hatte Alex nichts von dem seltsamen Jungen in meinem Traum erzählt. Es war mir zu surreal vorgekommen. Und obwohl das, was ich im Traum empfunden hatte, einfach lächerlich war, was würde Alex denken, wenn er jetzt davon erfuhr? Nachdem der fremde Junge meine Hand gehalten, mein Haar angefasst hatte?
    Zu meiner Erleichterung sagte Seb jedoch nur: »Sie hat gedacht, dass ihr nach el DF müsst. Ich habe ihr Shirt berührt und konnte es spüren. Also bin ich ebenfalls hierhergekommen.«
    » El DF ist ziemlich groß«, bemerkte Alex trocken.
    »Tja, manchmal habe ich Eingebungen. Und heute hatte ich die Eingebung, in den Chapultepec zu gehen.« Seb lächelte, doch in seinem Lächeln lag nur wenig Humor. »Sonst noch Fragen?«
    Alex, der noch immer am Geländer lehnte, schnaubte leise. »Oh, Entschuldigung, bin ich zu neugierig?« Der Verkehr rauschte unter ihm vorbei. Er ließ Seb nicht aus den Augen. »So bin ich nun mal, wenn ich merke, dass sich irgendein Typ an meine Freundin ranmacht. Komisch, was?«
    Seb zog eine Augenbraue hoch.
    »Alex, so war es nicht. Ehrlich!«, platzte ich heraus. Von außen betrachtet konnte ich nur verwundert den Kopf darüber schütteln, dass diese beiden umwerfenden Jungs sich anscheinend meinetwegen in die Haare kriegten. In mir drin allerdings fühlte es sich furchtbar an. »Es war doch nur … dieser Moment, als uns klar wurde, dass wir beide Halbengel sind. Mehr nicht.«
    Alex, der den Blick noch immer nicht von Seb abgewandt hatte, wollte etwas sagen, überlegte es sich aber anders. Er stieß die Luft aus. Dann sah er zu mir herüber und streckte einen Arm aus. Wir

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