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Hueter der Erinnerung

Titel: Hueter der Erinnerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois Lowry
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längere Hosen für
     die Jungen mit einer speziellen Tasche für den Taschenrechner, den sie ab diesem Jahr in der Schule verwenden durften; doch
     all das wurde nur verpackt überreicht, ohne dass eine lange Ansprache gehalten wurde.
    Pause für das Mittagsmahl. Jonas merkte, dass er hungrig war. Er und seine Klassenkameraden versammelten sich an den Tischen,
     die vor dem Auditorium aufgestellt worden waren, und nahmen ihr abgepacktes Essenspäckchen in Empfang. Ihr gestriges Mittagsmahl
     war sehr fröhlich verlaufen, sie hatten herumgealbert und einander wie üblich geneckt. Heute jedoch stand die Gruppe nervös
     und aufgeregt zusammen, von den anderen Kindern getrennt. Die frischgebackenen Neuner inspizierten stolz ihre neuen Räder
     und freuten sich über das große Namensschild, das aller Welt verkündete, wer der stolze Besitzer dieses schönen, neuen Rades
     war. Die neuen Zehner fuhren sich etwas ratlos durch die kurzen Haare und die Mädchen schüttelten die Köpfe, um die ungewohnte
     Leichtigkeit ohne die langen, schweren Zöpfe zu spüren, die sie so lange getragen hatten.
    »Ich habe von einem Jungen gehört, der sich absolutsicher war, dass er zum Ingenieur ernannt werden würde«, murmelte Asher während des Essens, »doch dann sollte er Müllmann
     werden. Am nächsten Tag schwamm er über den Fluss und flüchtete sich in die erstbeste nächste Gemeinschaft, auf die er stieß.
     Man hat nie mehr etwas von ihm gehört.«
    Jonas lachte auf. »Das sind doch Ammenmärchen, Ash«, sagte er. »Mein Vater hat gesagt, diese Geschichte wäre schon erzählt
     worden, als er selbst ein Zwölfer wurde.«
    Aber Asher war nicht beruhigt. Er warf einen nervösen Blick auf den Fluss, der hinter dem Auditorium vorbeifloss. »Ich kann
     doch kaum schwimmen«, sagte er. »Mein Schwimmlehrer sagt immer, mir fehle der Antrieb oder so.«
    »Auftrieb«, korrigierte ihn Jonas.
    »Was auch immer, ich hab ihn nicht. Ich gehe unter wie ein Stein.«
    »Trotzdem«, beharrte Jonas, »hast du je jemanden gekannt – ich meine, nicht nur vom Hörensagen   –, der in eine andere Gemeinschaft gegangen wäre?«
    »Nö«, gab Asher widerwillig zu. »Aber möglich ist es! Steht in den Regeln. Wenn dir die Gemeinschaft nicht passt, kannst du
     dich melden und sagen, dass du nach
Anderswo
gehen möchtest, und dann wirst du freigegeben. Meine Mutter hat gesagt, dass das mal vor etwa zehn Jahren passiert ist. Da
     hat jemand darum gebeten, die Gemeinschaft verlassenzu dürfen, und am nächsten Tag war er fort.« Er kicherte. »Das sagte sie einmal, als sie sich fürchterlich über mich aufregte.
     Sie sagte, wenn ich so weitermache, würde sie den Antrag stellen, nach
Anderswo
gehen zu dürfen.«
    »Doch nur aus Spaß.«
    »Ich weiß. Aber es stimmt, was sie gesagt hat, dass es jemand mal gemacht hat. Heute noch hier und morgen schon dort. Ist
     nie mehr aufgetaucht. Es gab nicht mal ’ne Abschiedsfeier.«
    Jonas zuckte mit den Schultern. Das Ganze berührte ihn nicht. Wie konnte es jemandem in ihrer Gemeinschaft nicht gefallen,
     die bis ins Letzte durchorganisiert war und in der alle Entscheidungen sorgfältig abgewogen wurden?
    Selbst Eheschließungen wurden als so wichtig erachtet, dass Erwachsene, die einen Antrag auf einen Ehepartner stellten, Monate
     und manchmal sogar Jahre warten mussten, bevor ihnen eine Person zugeteilt wurde. Alle Faktoren   – Veranlagung, Energie und Intelligenzquotient sowie Interessengebiete – mussten perfekt zusammenpassen. Jonas’ Mutter war
     zum Beispiel intelligenter als sein Vater, aber dafür war er ausgeglichener und ruhiger. Sie ergänzten einander. Ihre Ehe,
     die – wie immer – drei volle Jahre vom Komitee der Ältesten überwacht worden war, ehe sie einen Antrag auf das erste Kind
     stellen durften, konnte als gelungen bezeichnet werden.
    Entscheidungen wie das Zusammenbringen vonEhepartnern, die Namensgebung, die Zuteilung der Säuglinge und der zukünftigen Berufe wurden stets lange und gewissenhaft
     vom Komitee der Ältesten diskutiert.
    Jonas war sicher, dass seine zukünftige Aufgabe – was immer es auch sein mochte – ebenso die richtige für ihn sein würde wie
     die für Asher. Er wünschte sich nur, dass die Mittagspause endlich vorübergehen würde und die Bürger wieder ins Auditorium
     gehen konnten, damit die unerträgliche Spannung endlich aufhörte.
    Wie als Antwort auf seinen unausgesprochenen Wunsch ertönte in diesem Augenblick das Signal und die Menschenmenge

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