Hüter der Flamme 01 - Die Welt des Meisters
Augen. »Ich kann meinen Zauberspruch nicht zurück gewinnen.«
»Was?« Ein Kleriker war nicht wie ein Magier darauf angewiesen, die Sprüche aus Büchern auswendig zu lernen. Ein Kleriker konnte einen benutzten Spruch einfach durch Beten zurück bekommen. Jedenfalls sollte es so sein.
»Ich habe es versucht. Ehrlich. Aber es hat einfach nicht funktioniert.«
Er machte sich nicht die Mühe, den Ärger und die Frustration beim Sprechen zu unterdrücken. »Was hast du versucht?«
»Beten. Zur Heilenden Hand. Aber nichts ist geschehen!« Sie kratzte sich auf dem Handrücken und hinterließ lange rote Striemen. »Ich kann die anderen Zaubersprüche in meinem Kopf spüren. Alle – aber ich kann den, den ich benutzt habe, nicht wiederfinden.« Eine blonde Strähne legte sich über ein Auge. Doria schob sie weg. »Vielleicht … «
»Vielleicht was?« Das war ja grauenvoll. Das einzige, womit er fest rechnen konnte, war gewesen, daß ihre Magie funktionierte.
»Vielleicht, wenn ich daran glauben würde … «
Er packte sie an den Schultern und schüttelte sie. »Willst du damit sagen, daß bei all dem, was mit uns passiert ist, du nicht an Magie glaubst?«
»Hör auf! Hör auf.« Er tat nichts, als sie seine Hände abstreifte. »So ist es nicht. Es ist nur, daß die Vorstellung eines Gottes von der Heilenden Hand, einer … «
»Einer gütigen Gottheit?«
» … einer Macht, die Gutes tut und Leute heilt – das scheint einfach so absurd zu sein.« Sie wühlte mit den schlanken Fingern im Haar. »Nach all dem, was uns zugestoßen ist – nach allem, was mit mir passiert ist – kann ich es einfach nicht akzeptieren. Nicht wirklich.«
»Du sprichst nicht nur von hier.« Das war eine Seite Dorias, die er noch nie richtig gesehen hatte. Nur manchmal hatte er hinter der freundlichen Fassade, den lackierten Nägeln und der etwas ungeschickten Art eine tiefe Traurigkeit gespürt.
»Nein, nicht nur hier.« Sie wollte sprechen; aber es kamen keine Worte. Doria verbarg das Gesicht in den Händen.
»Du mußt nicht darüber reden, wenn du nicht willst«, sagte er und verfluchte sich, weil er es so ausgedrückt hatte. Bekenntnisse waren ein sehr wirksamer Reiniger für die Seele. Er hätte sie zum Sprechen auffordern, zwingen müssen. »Aber du darfst es mir ruhig sagen.« Das klang lahm. Verdammt.
»Ich kann nicht.«
Er zog behutsam die Hände vom Gesicht. »Mach dir keine Sorgen.« Ahira zwang sich zu lächeln. »Ich bin sicher, daß alles gut ausgehen wird. Und wenn du später darüber sprechen willst, bin ich immer hier. Wo auch das hier sein mag.« Er stand auf und half ihr auf die Füße. »Ich habe in den Kisten ein paar Dosen gesehen. Wie wäre es, wenn du mir vorliest, was draufsteht? Wenn in einer Lachs ist, teilen wir sie uns.«
Ihr Lächeln war beinahe natürlich. »Aber hast du auch einen Dosenöffner gesehen?«
Er schulterte die Axt. »Na klar.«
Kapitel Fünf
Lundeyll
Der Tag gehört den Ehrlichen, die Nacht den Dieben.
Euripides
Flinkfinger machte einen Schritt auf die Seite, um einer Wagenspur in der staubigen Straße auszuweichen. »Wie willst du die Sache durch ziehen?«
Hakim lächelte. »Als allererstes«, sagte er, »werden wir uns nach einer Schenke umsehen und uns etwas zu trinken besorgen.« Er legte den Kopf auf die Seite. »Es sei denn, wir können eine Schankmaid finden, die uns geneigt ist.«
Sie waren etwa eine halbe Meile von der Stadt entfernt. Düster und gewaltig ragten die Mauern vor ihnen auf. Flinkfinger kam es eigentlich merkwürdig vor, daß Hakim immer noch so federnd dahinschritt. Der Abstieg und der lange Marsch auf der Straße hatten auf den jüngeren Mann anscheinend keine Wirkung.
Flinkfinger hob die Hand. »Warte mal einen Augenblick. Ich muß mal Atem schöpfen.« Er lachte gezwungen. »Seit wann bist du denn bereit, etwas zu teilen? › Wir ‹ ?« Dabei interessierte ihn nach diesem Gewaltmarsch nur noch ein Platz, wo er sich hinsetzen konnte und etwas zu trinken bekam, am besten etwas Kaltes.
Hakim klopfte ihm auf den Rücken. »Du hast die richtige Einstellung, Jason, mein Freund. Wir sind zwar geschäftlich hier unten; aber ich habe nicht gehört, daß der Zwerg uns verboten hat, uns auch ein bißchen zu amüsieren. Wieviel hast du denn dabei?«
Flinkfinger zuckte mit den Achseln. »Weiß ich nicht genau. Ein Platinstück, fünf Gold-, acht Silber- und sechs Kupferstücke – so ungefähr.«
Ziemlich gut dafür, daß du es nicht genau weißt,
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