Hüter der Flamme 03 - Die Krone des Siegers
die er mit Andrea bewohnte.
Andy-Andy saß vor einer flackernden Lampe, die auf einem großen Holztisch stand. Vor ihr lag ein aufgeschlagenes großes, in Leder gebundenes Buch, in dem sie aufmerksam die Worte las, die Karl nicht sehen konnte.
Er wollte sie nicht bei ihrem Studium stören; deshalb wartete er bis sie aufblickte, ehe er sich räusperte.
»Karl.« Sie lächelte ihn an. Dann stand sie auf und streckte sich in ihren langen Gewändern wie eine Katze. »Bleiben sie immer noch außer Schußweite?«
»Allerdings. Das ist die komischste Belagerung, die ich je gesehen habe. Wie steht's mit deinen Unsichtbarkeitszaubersprüchen?«
»Gut genug«, sagte sie und blickte ihn an. »Hast du die Absicht, einen kleinen Abendspaziergang zu machen?«
»Tennetty und ich würden gerne gehen, wenn du das machen kannst.«
Die Spannung zwischen Karl und ihr war in den letzten Tagen verschwunden. Nach Chaks Tod brauchte er jemanden um sich, mit dem er gewohnt war zusammenzuarbeiten. Piell war mit seiner Abteilung Langbogenschützen beschäftigt, Walter und Ahira waren weg - da blieb nur Tennetty von der ursprünglichen Mannschaft.
Der wahre Grund war viel einfacher: Tennetty hatte zwar in Enkiar einen grauenvollen Fehler begangen, aber es hatte keinen Sinn, ihr deshalb bis ins Grab böse zu sein. Schließlich war sie ein wahrer Freund.
»Wann wollt ihr beiden Hübschen denn los?« fragte Andy-Andy.
Er strich ihr liebevoll mit dem Daumen über das Kinn. »Gegen Mitternacht, dachte ich. Gib uns vorher noch etwas Zeit - alleine.«
»Gut.« Sie lächelte ihn wieder an. »Offensichtlich habe ich dich vorige Nacht nicht total verschlissen.«
»Offensichtlich nicht.«.
Die Überzeugung, daß sein Ende nahe war, hatte ihrer körperlichen Liebe viel Leidenschaft gebracht. Er fand, daß er nicht mit sich geizen sollte, wo doch das Ende so schnell näherkam.
Falls Walter und Furnael in Biemestren Erfolg hatten, würde Hilfe kommen. Das hing aber davon ab, a) ob sie überhaupt in Biemestren angekommen waren und, was noch unglaublicher war, Furnael auf den Thron setzen konnten, b) ob Furnael sofort die Leibgarde losgeschickt hatte und c) die Garde ihm bereitwillig gehorcht hatte und d) daß sie mit genügend Soldaten kamen, um die Straßensperre der Holts im Westen zu durchbrechen. Falls das alles zutraf, könnte Entsatz in einer Woche oder so eintreffen.
Aber das würde nie geschehen.
Da die Holts keine Katapulte oder andere Belagerungsmaschinen bauten, waren bestimmt schon fertige auf dem Weg hierher.
Vielleicht war es das! Karl und die Verteidiger hatten nicht unbegrenzt Zeit. Die Holts wußten oder vermuteten, daß der Drache sich langsam innerhalb der Burgmauern erholte. Sie und die Sklavenhändler bei ihnen hatten sicher keine Lust, den Angriff so lange zu verschieben, bis Ellegon wieder einsatzfähig war.
Er schüttelte den Kopf. Verdammt noch mal, sie konnten die Burg mit Leitern erstürmen, wenn sie keine andere, weniger kostspielige Möglichkeit hatten.
Vielleicht warteten die H olts aber auch darauf, daß Elle gon gesund genug sein würde zu fliehen, statt zu kämpfen.
Und dann, Liebste, können wir weg von hier. Du, Thomen Furnael, vielleicht Erek und Ranella. Dafür würde ich sorgen.
Und dann, dachte er und nahm sie in die Arme, hauen wir Ahrmin und den Rest dieser Bastarde so in die Pfanne, daß sie für den Rest ihres Lebens vor Angst schreiend aufwachen.
Tennetty räusperte sich. »Soll ich ein paar Sachen zusammenpacken? Armbrüste? Andrea, kannst du die in den Zauberspruch einschließen?«
»Ja, aber ...« Andy-Andy löste sich aus seinen Armen. »Ich kann euch nicht sehr lange unsichtbar sein lassen, höchstens ein paar Minuten, da ihr zu zweit seid. Lange genug, um herauszukommen ...«
»Aber nicht lange genug, um wieder hereinzukommen, ja?« Er lächelte. »Kein Problem, wir koordinieren unsere Rückkehr mit Aveneer. Tennetty, pack eine Signalrakete ein, für jeden zwei Granaten und Zünder.« Dann deutete er mit dem Kopf zu den Schlafgemächern. »Geh schon vor, ich komme auch gleich.« Andy-Andy lächelte zurück und ging mit ihrem Zauberbuch unterm Arm weg.
Er wandte sich an Tennetty. »Ich wollte dir schon lange etwas sagen wegen ...«
»Ich weiß; schon erledigt.« Sie blickte ihn ernst an. »Das war es doch alles wert, Karl, oder?«
Tennetty, ich habe von dir noch nie gehört, daß du deiner nicht sicher bist. Das gefällt mir gar nicht.
Er zwang sich zu einem Lächeln. »Aber sicher!
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