Hüter der Flamme 06 - Die Straße nach Ehvenor
komme, die erstere Frage nicht ehrlich beantworten.
So kam die übliche Vorgehensweise nicht in Frage. Der bessere Weg ist es, etwas Interessantes zu erzählen, das in Verbindung mit dem steht, was du wissen willst, und das die anderen dazu bringt, von selbst zu erzählen, was sie darüber wissen.
Ein kleiner, kahler Mann, ein Händler in Edelsteinen und Gold, der seinen Namen mit Enric angegeben hatte (und der eine ganze Ecke gewitzter gewesen sein mußte, als er ausgesehen hatte, zieht man seinen zugestandenen Beruf und das Fehlen einer Leibwache in Betracht), bestellte eine Runde für den ganzen Tisch. »Es wird behauptet, daß es vielleicht von einem der Orte der Anderen kommt. Oder von«, er zeigte mit dem Daumen, »dort.«
»Orte der Anderen?« Ich versuchte verwirrt auszusehen. »Dort? Du meinst ...«
»Ich meine genau das, was ich sage, Reisender. Es gibt einen alten Glauben, der besagt, daß es sogar gefährlich ist, dieses ... es beim Namen zu nennen. Mein Großvater, Gott hab' ihn selig, sprach von ihnen nur als sie, und während ich das auch für übertrieben hielt, so hat er immerhin sechzig Jahre überlebt.«
Ein anderer Mann regte sich auf: »Quatsch, nichts als Aberglaube.«
»Vielleicht ist es das, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht wissen sie es, wenn man ihren Namen ausspricht, vielleicht aber auch nicht. Was seltsame Dinge anbelangt - ich denke da an das kleine Dorf oben neben Erevale, das auf ungeklärte Weise ausgelöscht wurde -, so bin ich niemand, der es herausfordert.« Er wandte sich an mich. »Wie denkst du darüber, Tybel?«
Ich schüttelte den Kopf . »Ich bin auch nie jemand gewe sen, der Risiken eingeht.« Zumindest nicht ohne einen verdammt guten Grund. Ein ganzes Dorf ausgelöscht? Davon hatte ich noch nichts gehört.
»Ein kluger Mann«, sagte er. »Und mit einer Kriegerin als Begleitung. Ist sie zum Töten ausgebildet? Ich besaß zehn Jahre lang eine Dienerin, Venda war ihr Name. Sie war mutig wie ein Wiesel und treu wie ein guter Hund. Aber mit einer Kriegerin als Begleitung ... Es gibt viele, die sagen, daß Karl Cullinane ... Ehrenmänner ermordete, die eine solche Dienerin besaßen. Und ich sage dir, ich habe Venda für bare Münze und ohne Bedauern verkauft.«
Tennetty runzelte die Stirn. »Moment mal. Mir wurde berichtet, daß Karl Cullinane und seine Leute alle in Ruhe ließen - außer den Sklavenhändlern, und von denen besonders die Sklavenhändler der Gilde.«
Enric schüttelte den Kopf. »So ist es sicher gewesen, für viele Jahre. Ich habe einige Plünderer und Händler aus Heim getroffen, als ich selbst eines Abends mit einem Trupp seiner Männer für eine Nacht in Kuarolin lagerte, oben an der Grenze zu Katharhd. Eine rauhe Truppe, aber ich fühlte mich zwischen ihnen absolut sicher, und sie waren in den meisten Städten willkommen - niemand hat geglaubt, daß sie außer Sklavenhändlern auch noch etwas anderes jagen würden, und Sklavenhändler sind nirgendwo besonders beliebt.
Aber es gibt Gerüchte, daß sich das geändert hat. In Wehnest wurde ein Mann aus dem Osten ermordet, nur weil er Diener gekauft hatte.«
»Nicht nur in Wehnest.« Ein vierschrötiger Mann schlug mit der Faust auf den Tisch, was die Becher und Krüge zum Tanzen brachte. »Gerade außerhalb von unserem eigenen Fenevar, keine vierzig Tage ist es her, da wurden Arnet und sein Bruder in ihren Betten ermordet und eins dieser Schreiben hinterlassen. Alles auf Englisch, sagt man.« Er schüttelte sich. »Gefährliche Sprache, habe ich gehört - es wird gesagt, daß man kein Hexenmeister sein muß, um Zaubersprüche auf Englisch zu schreiben.«
»Pah, ist doch Blödsinn«, stieß ein anderer hervor.
In Fenevar kann man die Einheimischen an ihrer Angewohnheit erkennen, daß sie die Worte wie Satzzeichen ausspucken. »Du mußt schon einer ihrer Hexenmeister sein, um die Bombe hochgehen zu lassen.«
Für die nächste Stunde lauschte ich mit mehr als nur einem halben Ohr, während ich nur wenig mehr bestellte als meinen Anteil an den Runden. Das ist der Schlüssel zur Unauffälligkeit. Man muß nicht mittelmäßig sein - es muß nur den Anschein erwecken, als sei man's.
Vermutlich trank ich zuviel. Dennoch erinnere ich mich an ein Bruchstück einer Aussage von Reil, dem Bäcker.
» ...und das hatte Alezyn berichtet. Ihr wißt, der neue Hufschmied, der vor fünf Zehntagen hier durchgekommen ist?«
Volltreffer! Alezyn war der Name von Mikyns Vater. Sicherlich war es möglich, daß ein
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