Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
Speer und vom Abendmahlskelch thematisiert. Aber ich glaube nicht, dass er in diese ganzen Mysteriengedanken genau so vernarrt war wie Himmler. Für Hitler war die Lanze ein Mittel der Propaganda.«
Schon wieder fiel der Name »Himmler«. Hubers Neugier war geweckt.
»Was hatte Himmler mit der Lanze zu tun?«
»Himmler war von ihr wahrhaft besessen. Er liebte Ahnenkulte, Hexenforschung, Mysterienverehrung, Okkultismus, Reliquienglaube und all diese Dinge. Er soll eine exakte Kopie der Lanze besessen haben, die er allerdings Hitler zurückgeben musste. Es gibt auch noch die Version, dass der Papst diese Kopie erhalten haben soll.«
Huber schnaubte verächtlich. »Was soll bloß dieser ganze Quatsch mit den Kopien? Die sind im Vergleich mit dem Original doch wertlos.«
Raphaela verneinte entschieden. »Normalerweise ist das vielleicht so, bei dieser speziellen Waffe aber nicht. Alle Kopien hatten, zumindest für Gläubige, den gleichen Wert wie das Original. Ich habe es dir doch erzählt: Man übertrug die Wirkung des Originals durch einen merkwürdigen Ritus auf die Kopien. Es muss irgendwie mit dem Blut Jesu zusammengehangen haben – oder mit dem in die Lanze eingearbeiteten Nagel. Immerhin war die ursprüngliche Lanzenspitze ja ganz sicher mit Jesu Blut getränkt gewesen.«
Huber waren diese okkulten und magischen Praktiken zuwider, und er schenkte Raphaela einen missbilligenden Blick. Als müsse sie sich entschuldigen, erwiderte sie: »Sorry, ich kann auch nichts dafür. Die Leute glaubten eben an die Macht dieser Lanze.«
»Ich ziehe es vor, realistisch vorzugehen.« Huber lehnte sich entspannt zurück. »Es wäre also denkbar, dass hinter diesem Raub ein paar Neonazis stecken, die die Lanze für ein Wiedererstarken der faschistischen Idee missbrauchen wollen.«
Die Maschine landete sanft auf römischen Boden und viele Fluggäste applaudierten erleichtert.
»Gut möglich«, erwiderte Raphaela. »Ich habe erst kürzlich gelesen, dass sich die Neonazis in Deutschland regelmäßig in der Nähe von Paderborn treffen, dort wo Himmler in einer Burg eine SS-Schule gegründet hatte. Die sogenannte Wewelsburg. Schon mal davon gehört?« Huber schüttelte den Kopf. »Eine alte Burg in Form einer Lanzenspitze. Himmler war völlig vernarrt darin und soll dort okkulte Spielchen mit seinen Jungs von der SS getrieben haben. Vieles ist nur Spekulation, weil bis heute alle Leute schweigen, die damit entfernt zu tun hatten. Sicher ist zumindest, dass Himmler für den aufwendigen Umbau der Burg eigens ein KZ errichten ließ.«
»Meine Güte. Ich hätte nicht gedacht, dass Menschen um eine Waffe so viel Aufhebens machen können.« Huber schüttelte den Kopf. »Tut mit leid, aber ich kann das echt nicht nachvollziehen.«
Raphaela zog ihre Aktentasche unter dem Sitz des Vordermanns hervor, verstaute ihre Manuskripte darin und stand von ihrem Platz auf. Huber folgte ihr. Gedankenverloren reihten sie sich in die Schlange der ins Freie strömenden Fluggäste ein.
Draußen drehte sie sich zu Huber um und sah ihn mit funkelnden Augen an: »Das Problem ist, dass sie alle keine Ahnung von der echten Lanze haben.«
Huber schaute sich zu den anderen Passagieren um, die der herausschleichenden Prozession folgten. Er beugte sich zu Raphaela vor und nahm ihr blumiges warmes Parfüm wahr. »Du meinst, es gibt noch mehr von den Dingern.«
»Warte, bis wir hier raus sind«, flüsterte sie ihm zu und beschleunigte ihren Schritt.
Alle Fluggäste schoben sich die langen Gänge entlang und richteten ihre Blicke auf die Hinweisschilder, die zu den Gepäckbändern führten. Huber und Raphaela hatten nur Handgepäck mitgenommen, sodass sie sich diese Verzögerung sparen konnten. Der Kommissar schlängelte sich zwischen einer dicklichen Dame und ihren wie ein Adjutant wirkenden deutlich kleineren Ehemann hindurch. Er schloss zu Raphaela auf.»Erzähl weiter! Was ist mit den anderen Lanzen?«
Sie drehte sich amüsiert um.»Na, hat dich der Virus endlich erwischt?« Huber musste eingestehen, dass er es ähnlich formuliert hätte und wartete auf ihre Antwort. »Es gab schon immer mehrere. Und jetzt pass auf: Mindestens vier müssen noch existieren. Eine soll hier in Rom sein, eine in Armenien, dann die bekannte aus Wien und eine wurde von Ludwig dem Heiligen von den Kreuzzügen in Palästina nach Paris gebracht und ist seitdem verschollen.« Raphaela zuckte mit den Schultern. »Ich persönlich bin der Meinung, dass es noch eine Fünfte geben
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