Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
inneren Kreis des SS-Ordens gehören wollte. Karl Wilhelm hat mir davon erzählt, als er mich hier besucht hat. Himmler hatte ihn damals für die Thule-Gesellschaft rekrutiert. Sie akzeptierten ihn natürlich sofort, ihn, den Biografen und Zögling Himmlers. Doch eines Tages gingen Karl Wilhelm die Augen auf. Er wollte sich der Gesellschaft und ihres, wie er fand, dämonischen Einflusses entziehen. Ich habe ihn in meinen Briefen stets darin bestärkt. Eines Tages stand er dann plötzlich hier. Er hatte nur einen kleinen Koffer und einen Seesack dabei. Er sah furchtbar heruntergekommen aus und war unter Lebensgefahr aus Deutschland geflohen. Als er nach dem Krieg nach Hause zurückgekehrt war, fand er dort nur noch Trümmer vor. Gudrun, die Frau, die er geliebt hatte, war im KZ umgekommen, und die Thule-Gesellschaft war längst aufgelöst. Ihr heimlicher Ableger war ›THE Lu‹, aus dem inzwischen ein internationaler Geheimbund geworden war. Er nahm wieder Kontakt zu Karl Wilhelm auf und bedrängte ihn sein Leben lang, doch für ihn war die Sache erledigt. Wenn er nicht Familie gehabt hätte, wäre er hierher nach Italien zurückgekommen.«
»Also haben Sie nach dem Krieg den Kontakt aufrechterhalten?
»Aber ja. Wir haben uns oft geschrieben. Er hatte es sehr genossen, hier zu sein. Übrigens: Er hat das ganze Feld dort drüben angelegt und bestellt.« Montesi streckte seinen Arm aus und Huber und Raphaela folgten seinem Fingerzeig mit den Augen.
»Der Sohn scheint leider nicht aus demselben Holz geschnitzt zu sein wie sein Vater. Nichts an ihm erinnerte an Karl Wilhelm, abgesehen von der leicht gebogenen Nase. Das war aber auch schon alles. Es würde mich nicht wundern, wenn er mit ›THE Lu‹ zusammenarbeitet.« Montesi wurde ernst. »Das herauszufinden, wird Ihre Aufgabe sein, Commissario.«
Huber nickte und sein Gesicht zeigte deutlich, dass er sich mit diesem Fall nach wie vor überfordert fühlte. Raphaela zog einen Stift heraus und kritzelte ihre Anschrift und die Handynummer darauf. Dann gab sie den Zettel Montesi. »Bitte Pater. Wenn Ihnen noch etwas einfällt, rufen Sie mich bitte an, und wenn Sie kein Telefon haben, wovon ich ausgehe, dann schreiben Sie einfach einen Brief.«
Montesi steckte wortlos den Zettel in eine kleine Tasche unter seiner Kutte. Huber und Raphaela standen auf und wollten sich verabschieden. Beide empfanden, dass eine eigenartig wohltuende Stimmung in der Luft lag. Ihnen war, als wäre ein innerer Friede bei ihnen eingezogen, den Montesi gestiftet hatte.
»Gott segne Sie beide«, sagte Montesi und gab ihnen freundschaftlich die Hand. Raphaela sah ihn mit einem Blick an, als wolle sie fragen, ob sie nicht auch hier bleiben könne.
XXV
Smith hielt dem stechenden Blick des verrückten, aber augenscheinlich genialen Physikers stand. Er wartete immer noch auf die Beantwortung der entscheidenden Frage. Petrov entspannte sich nur geringfügig und zog das Gummiband seines Haarzopfes enger. Er liebte es, ausführlich über seine Forschungen zu referieren. Sie waren der Inhalt seines Lebens. Und nun lag die Frage aller Fragen im Raum: Sind Reisen in die Vergangenheit möglich?
»Kein Problem«, sagte Petrov. »Sie müssen nur einen Schritt weiter denken. Wenn Sie es schaffen, Lichtgeschwindigkeit zu erreichen, dann reisen Sie in die Zukunft. Schaffen Sie es, noch schneller als das Licht zu werden, reisen Sie in die Vergangenheit.« Wieder lachte der Wissenschaftler auf und genoss seine Überlegenheit. »Einstein ist ja nicht in den Ruhestand gegangen, nachdem er seine große Formel gefunden hatte. Einige Jahre später entdeckte er, dass die Zeit nicht linear verläuft, sondern gekrümmt. Hier kommt nun die Gravitation ins Spiel, die aus der speziellen Relativitätstheorie die allgemeine Relativitätstheorie macht. Einstein ging davon aus, dass Masse und Energie die Raumzeit nicht linear belässt, sondern sie verkrümmt. So ist der Begriff der ›vierdimensionalen Raumzeit‹ entstanden. Die drei Dimensionen Höhe, Breite, Tiefe werden durch die Zeit als vierte Komponente ergänzt. Wir glauben, dass man sich die Raumzeit wie ein flaches Band vorstellen muss, eines, das nicht straff gespannt, also linear ist, sondern gekrümmt. Dieses Band hängt, um bei unserem Bild zu bleiben, wie eine Schleife durch.«
»Sie haben damit noch nicht meine Frage beantwortet, lieber Kollege. Ist nun eine Reise in die Vergangenheit möglich oder nicht?«, drängelte Smith. Schließlich wartete ein 2000
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