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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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lag in einer Vertiefung, ähnlich wie bei einem Troggrab, doch wir gehen davon aus, dass diese Mulde im Laufe der Jahrhunderte durch ein Absinken des weichen Gesteins entstanden ist.«
    »Was ist Ihnen noch aufgefallen? Gab es irgendwelche Besonderheiten an den Wänden? Eingravierte Namen? Holztafeln oder Gegenstände, die den Toten mitgegeben wurden?«
    »Nein, nichts dergleichen. Merkwürdig war nur, dass der Charakter der Beisetzung dieser drei Toten völlig verschieden gewesen sein muss. Zum Beispiel war der erste Tote, der auf der linken Seite lag, in ein Leinentuch von guter Qualität eingewickelt. Es wurden Spuren von Ölen darin gefunden. Der Zweite dagegen war nur mit einem sehr einfachen Tuch bedeckt, als wolle man ihm auch im Tod keinen besonderen Respekt und Komfort angedeihen lassen. Der Dritte schließlich, der rechts vom Eingang in einer Nische lag, war gar nicht bedeckt, sondern trug eine Art leinenes Gewand einfacher, grober Machart, ähnlich dem, das Sklaven und Bauern vor zweitausend Jahren getragen haben.«
    Smith sah sie grübelnd an.
    »Also. Was wissen wir bisher?«, murmelte er leise vor sich hin. Es war keine wirkliche Frage, sondern eher die Art von Monolog, die Smith zum Nachdenken brauchte. »Die beiden Männer hier sind definitiv keines natürlichen Todes gestorben. Erinnern Sie sich noch an den Toten, der 1968 in Giv’at ha-Mivtar gefunden wurde?«
    Lea nickte und dachte nach. Natürlich war ihr die Praxis der Kreuzigung geläufig, doch sie hatte dieses brutale Thema im Studium gemieden, wo sie nur konnte. Darum war es auch nicht gerade zu einem ihrer Fachgebiete geworden, und sie stellte sich wieder auf sehr detaillierte Ausführungen des Professors ein.
    Smith lachte kurz auf und schüttelte den Kopf »Ich kann mich noch gut erinnern. Ich war damals gerade dreiunddreißig geworden. Und nicht weit von hier, im Nordosten Jerusalems, wurde dieser für damalige Verhältnisse einzigartige Entdeckung gemacht. Für mich war dieser Fund auch persönlich von besonderer Bedeutung, weil er zum ersten Mal bewies, dass die Annagelung von Menschen ans Kreuz eine tatsächlich praktizierte Kreuzigungsmethode darstellte. Die Bibel berichtet natürlich davon, doch außerhalb der Bibel gibt es nur noch einige wenige Schriften von Flavius Josephus, dem jüdischen Geschichtsschreiber und von Tacitus, dem römischen Historiker, die eine solche Hinrichtungsart erwähnen. Hier jedoch hatte man endlich einen Toten gefunden, der noch Reste des Nagels in seinem Fersenbein trug. Sie erinnern sich doch, oder?«
    »Natürlich. Ganz genau. Reste des Nagels.« Lea nickte eifrig und schmunzelte.
    Smith hob seinen Kopf und blickte in die Ferne. »Johannes hieß er. Auf seiner Gebeinkiste, dem Ossuar, stand tatsächlich sein Name: J’hochanan. Er war etwa 24 - 28 Jahre alt, ziemlich genau 1,67 Meter groß und wurde zwischen dem Jahre 6 und 65 nach Christus gekreuzigt. Genauer ließ sich das damals noch nicht datieren. Das Besondere bei diesem Fund war, dass der Nagel offensichtlich durch die beiden übereinander gelegten Fersenbeine getrieben wurde, also nicht so, wie es meist auf Bildern von der Kreuzigung Jesu dargestellt wird, dass jeder Fuß mit je einem Nagel angebracht wurde.«
    »Ich weiß«, bestätigte Lea. »Ich habe von diesem Fall im Studium gelesen, und ich dachte damals, dass demnach die landläufigen religiösen Darstellungen alle falsch sind?«Smith grinste verschmitzt. »Das kann man so nicht sagen. Man darf das Ganze jedenfalls nicht so dogmatisch betrachten. Ich sag mal so: Vielleicht war für diesen Johannes ja gerade kein zweiter Nagel zur Hand! Vielleicht hatte man die Nägel schon für andere Delinquenten verbraucht.«
    Lea war überrascht über diese recht unwissenschaftliche Aussage, doch Smith fuhr fort. »Sehen Sie, es ist doch so: Die Römer waren zu jener Zeit ein ziemlich grausames Volk, und sie haben die Juden gehasst. Also haben sie ihrer Mordlust freien Lauf gelassen und innerhalb der Tötungsmethode ›Kreuzigung‹ alle nur erdenklichen sadistischen Varianten eingebaut. Sowohl in Bezug auf das Anbringen der Leichen an das Holz als auch in Bezug auf die Körperhaltung und so weiter …«
    In diesem Augenblick klopfte es an der Tür und ein gut aussehender Mann in den Fünfzigern erschien im Untersuchungsraum. Er trug bereits einen OP-Mantel, hatte aber die Haube, die sterilen Handschuhe und den Mundschutz noch nicht übergestreift.
    »Ich wollte Sie erst begrüßen, bevor ich mich

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