Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe
vermumme«, sagte er und hielt den Mundschutz lachend in die Höhe. »Einer Ihrer Assistenten war so nett, mich schon einmal einzukleiden.
»Hallo Dr. Gatziani, wie geht es Ihnen?« Lea streckte ihrem Zahnarzt die Hand entgegen, und es entging Smith nicht, mit welchem Blick der Dentist die Begrüßung seiner Patientin erwiderte.
»Danke gut. Und wie geht es Ihnen und meinen Inlays?«
»Mittlerweile sind es meine Inlays«, scherzte Lea. »Ich habe gestern den Betrag überwiesen. Also: Meinen Inlays geht es sehr gut.« Dann wandte sich der Zahnarzt dem älteren Herrn zu und streckte ihm die rechte Hand entgegen. »Gatziani. Dr. Avi Gatziani. Zahnarzt in Tel Aviv.«
»Angenehm, Smith. Professor für Archäologie und Anthropologie.«
Gatziani hob anerkennend die Augenbrauen und blickte abwechselnd in die Augen von Lea und Smith. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er gewohnheitsmäßig, als hätte er einen Patienten vor sich, dem er sich nun widmen wollte. Smith wählte seine Worte sorgfältig, denn er war von Natur aus misstrauisch und wollte von seinem, genauer gesagt von Frau Weizmanns Fund noch nicht zu viel preisgeben. Also griff er, wie zuvor mit Lea abgesprochen, zu einer kleinen Notlüge. Er schritt zu dem Toten Nr. 3 und deckte ihn wieder auf. »Wir haben hier das Skelett eines Mannes und müssen in Zusammenarbeit mit der gerichtsmedizinischen Abteilung die Identität des Toten ausfindig machen.«
Gatziani nickte. »Forensik, ich verstehe.«
»Vielleicht werden wir den Zahnbefund auch in Ihrer Fachzeitschrift veröffentlichen, um herauszufinden, ob der Tote möglicherweise Patient in Israel gewesen ist. Zunächst einmal, und dafür haben wir Sie hierher gebeten, geht es aber um eine professionelle Begutachtung des Zahnbefundes. Die Auswertung des CT’s und der anderen Röntgenbilder, die in der Universität angefertigt wurden, müssten auch jeden Moment hier eintreffen.«
Gatziani band sich geschickt den Mundschutz um. Dann ließ er seine beharrten Hände in die sterilen Handschuhe gleiten und setzte sich eine Lupenbrille auf, die er auch während seiner Arbeit an lebenden Objekten zu tragen pflegte. Schließlich nahm er auf einem Stuhl in Kopfhöhe des zu begutachtenden Toten Platz und schaute mit sechsfacher Vergrößerung auf die Zähne. Ein Diktiergerät stand neben ihm auf dem Seziertisch und gab durch leise Spulgeräusche zu verstehen, dass es bereit war, seine Worte aufzuzeichnen. Dr. Gatziani begann die Befundaufnahme: »Erster Quadrant: Zahn 18 fehlt, 16 Krone, 14 und 15 Keramikinlays.
Zweiter Quadrant: »25 fehlt, die Lücke ist minimal verengt; 26 und 27 Kronen.«
Der Unterkiefer des Toten lag neben dem Schädel, und die Betrachtung der Zähne verlangten dem Zahnarzt daher keinerlei Verrenkungen ab.
»Dritter Quadrant: 35 und 36 Keramikinlays, 36 genauer gesagt eine Teilkrone aus Vollkeramik. Zahn 38 fehlt. Vierter Quadrant: alle Zähne ohne Befund, jedoch Zahn 48 fehlt.« Damit endeten seine Ausführungen, und er kratzte noch eine Weile mit der Sonde auf den Zahnoberflächen herum.
»Nun, was sagen Sie zu seinen Zähnen?«, forderte Smith den Zahnarzt auf.
Ohne aufzublicken und seine Begutachtung zu unterbrechen, antwortete Dr. Gatziani. »Tja, ich würde sagen, dieser Mann hat eine ausgezeichnete Zahnsanierung genossen. Ich hätte es nicht besser machen können.« Gatziani blickte über den Rand der Lupenbrille hinweg und sah den Professor an. »Kommen Sie. Schauen Sie ruhig über meine Schulter.«
Smith stellte sich hinter Gatziani. »Sehen Sie: Er hat drei Keramikinlays, eine Teilkrone und drei Vollkeramikkronen. Die Farben der prothetischen Versorgung sind nahezu perfekt gelungen, und ich kann die Kronen nur an den oberhalb liegenden Rändern erkennen. Radiologisch werden wir sie natürlich auch erkennen, weil der Zement, mit dem die Kronen eingesetzt werden, röntgensichtbar ist und als feiner Streifen um die Zahnstümpfe erscheint. Auch die Keramikmasse hat eine andere Röntgendichte als menschlicher Zahnschmelz.«
»Was bedeutet dieses 18 oder 35?«, fragte Smith. Er verstand zwar eine Menge von Archäologie, doch die Kenntnis der Zahnmedizin mit ihren vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten mied er aus übergroßer Furcht vor eigenen Zahnbehandlungen.
Gatziani lachte.»Nun, es ist so. Man teilt das Gebiss in vier Quadranten ein. Hier! Oben rechts ist der erste Quadrant, oben links der zweite Quadrant und so weiter. Dann zählt man von der Mitte aus los. Schauen Sie. An dem
Weitere Kostenlose Bücher