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Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe

Titel: Hüter der heiligen Lanze - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg S. Gustmann
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aufweist wie die beiden anderen, aber …« Smith schüttelte heftig seinen Kopf, »… wir wissen alle, dass das völlig absurd wäre.«
    ***
    Schneider räkelte sich in seinem Sessel und war von den Zeilen, die vor ihm lagen, derart gefesselt, dass er sich keine Pause gönnte. Es war, als spräche sein Vater aus der Vergangenheit und er dürfte kein Wort davon verlieren. Wie akribisch der Vater alles aufgezeichnet hatte. Ein Journalist, ein Denker, ein Zweifler. Was würde Richard noch alles entdecken? Diese Bücher enthüllten mehr Wahrheiten über seinen Vater, als all die Jahre, die er mit ihm zusammengelebt hatte.
    Doch der Schlafmangel forderte seinerseits Tribut. Die Zeilen verschwommen vor Schneiders brennenden Augen, und sein Gehirn spielte ihm einen Streich, wenn die Erzählungen wie ein Film in seinem Kopf abliefen. Dennoch konnte er nicht anders: Er war ein Gefangener dieser Bücher und las weiter.
    7. Nov. 1940
    Was für eine Ehre: Ich darf mit nach Rom reisen. Eine Delegation des Führers ist zu einer »Audienz« des Papstes geladen. Allerdings weiß niemand, worum es dabei wirklich gehen wird. Der Papst hat einige kritische Artikel verfasst, in denen er das Kriegsgebaren und insbesondere die Deportierung der Juden ins KZ verurteilt. Was also will der Führer beim Papst erreichen? Hitler war früher einmal streng katholisch, doch jeder, der in den engeren Dunstkreis des Führers gelangt, spürt seinen unbändigen Hass auf das gesamte Christentum. Wie Himmler ja schon sagte: Entweder man ist Christ oder man ist Deutscher.
    Ich habe gehört, dass der Papst die Kopie der Lanze geschenkt bekommen soll, eine heilige katholische Reliquie, die sicher einen würdigen Platz in St. Peter oder in der Privatkapelle des Heiligen Vaters erhalten wird. Ich werde mich dabei so gut es geht im Hintergrund halten und als neutraler Berichterstatter niemandes Aufmerksamkeit oder Argwohn erregen. Ich bin der Mann, von dem alle seit vielen Monaten wissen, dass ich Himmlers Biografie schreibe und jeder akzeptiert diesen Wunsch des Reichsführers SS. Warum sollten sie mir also misstrauen? Habe ich jemals staatsfeindliche Korrespondenz verfasst oder das Regime in meinen Artikeln verunglimpft? Nein! Ich war stets ein integrer Journalist, linientreu und brav. Und doch sind meine Gedanken frei, und von diesen nunmehr dreiundvierzig Bänden meiner Tagebücher weiß außer mir und Gott, wenn es denn überhaupt noch einen geben sollte, niemand.
    Werde mit Außenminister Ribbentrop, Himmler und zwei Adjutanten fliegen. Ich bin sehr gespannt.
    20. Nov. 1940
    Ich hatte leider in den vergangenen Tagen keine Gelegenheit, meine Tagebucheinträge weiterzuführen. Ich zog es vor, sie daheim zu lassen, und machte mir während meines Aufenthaltes in Rom Notizen, die ich hier nun zusammentrage.
    Himmler war schon Tage zuvor in heller Aufregung. Er lud mich ein, ihn nach Paderborn zu begleiten, um dort die Nachbildung der Lanze zu holen. Wir flogen also von Berlin nach Paderborn und das Flugzeug landete wegen eines starken Windes sehr unsanft. Ich kämpfte heftigst mit meiner Übelkeit.
    Ein schwarzer Wagen stand unweit der Landebahn bereit, und Himmler, seine zwei Adjutanten und ich stiegen ein. Ein unfreundlich blickender Fahrer erhob seinen rechten Arm zum Gruß, brüllte ein zackiges »Heil Hitler«, hielt uns die Türen auf und fuhr uns alsbald über verzweigte Landstraßen zur Wewelsburg . Ich kann im Nachhinein das Ausmaß meines Erstaunens nicht mehr beschreiben, das ich es empfunden habe, als ich diese Burg betrat. Sie ist gigantisch, einfach atemberaubend und vor allem in höchstem Maße mysteriös. Ein eigenartiger Geruch hängt dort in der Luft, ähnlich wie in einer alten Kirche, doch dieser Geruch strömt einem schon von außen entgegen. Es könnte eine Mischung aus Weihrauch und Myrrhe sein.
    Nachdem wir hineingegangen waren, ordnete Himmler an, dass ich in der großen Halle auf ihn warten solle, während er allein die Lanze holen gehe. Als er nach einer ganzen Weile die Stufen wieder herabkam, langsam und bedächtig, lag ein merkwürdiger Ausdruck in seinem Gesicht. Die Augen waren trübe und wässerig, und seine Haut war aschfahl. Er wirkte jetzt noch kraftloser als sonst, so, als hätte sich eine sonst stärkende Energie von ihm zurückgezogen. Als er näher kam, bemerkte ich, dass einer seiner Finger mit einem weißen Taschentuch umwickelt war, einem Taschentuch, durch das die rote Farbe seines Blutes schimmerte. Ich fragte

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