Hueter Der Macht
wirkte. »Ganz recht.«
Der Mann breitete die Hände aus. »Die Kirche kann es sich doch sicher leisten, Euch anständigen Geleitschutz zu besorgen, wenn Eure Mission so wichtig ist.«
»Ich reise allein, und ich muss schnell vorankommen. Ich bin überzeugt, die Brüder in Eurer Gilde hätten gegen meine Gesellschaft nichts einzuwenden.«
Der Mann runzelte die Stirn.
»Ich kann sie für ihre Mühen reich entlohnen«, sagte Thomas.
»Mit Münzen, guter Bruder?«
»Mit Gebeten, guter Mann.«
Das Gesicht des Mannes verzog sich zu einem zynischen Grinsen. »Ihr müsst Euren Vorschlag den Kaufleuten selbst unterbreiten, Bruder. Es ist ihre Entscheidung… und ich bin mir nicht sicher, ob sie Gebete so bitter nötig haben, dass sie dafür einen Mönch mitschleppen.«
»Ich werde ihnen nicht zur Last fallen!«, fauchte Thomas und der Mann grinste noch breiter.
»Natürlich nicht. Nun, ich kann das nicht entscheiden. Begebt Euch in die Via Ricasoli. Dort gibt es ein Gasthaus – es ist nicht zu übersehen –, fragt nach Meister Etienne Marcel. Er ist ein Franzose, ein bekannter Tuchhändler, und er bricht in zwei Tagen mit einer Reisegesellschaft nach Norden zum Brennerpass auf. Vielleicht kann er Eure Gebete gebrauchen.«
Thomas nickte und wandte sich zum Gehen.
»Aber vielleicht auch nicht«, fügte der Mann hinzu, und Thomas trat aus dem Gildehaus in das helle Licht der Sonne hinaus.
Er fand das Gasthaus ohne Schwierigkeiten – es war das einzige in der Straße – und fragte den Wirt nach Meister Etienne Marcel.
Der Mann nickte und bedeutete Thomas, ihm zu folgen.
Sie gingen durch den leeren Vorraum, in dem sich mehrere aufgebockte Tische und Bänke vor einem großen Kamin befanden, in einen schmalen Korridor, der auf eine Treppe zulief. Sie führte in den dunklen zweiten Stock hinauf. Auf halber Höhe hörte Thomas gedämpftes Gelächter und das Klappern von Zinngeschirr – oder Münzen – auf einem Tisch.
Am Ende der Treppe befand sich nur eine Tür und der Wirt klopfte vorsichtig an.
Die Tür öffnete sich einen Spaltbreit. Der Wirt sprach leise ein paar Worte, trat dann zur Seite und wies auf Thomas.
Thomas starrte auf den Spalt, den die offene Tür bildete, doch er konnte nichts erkennen.
Die Tür schloss sich wieder, und er hörte einige Gesprächsfetzen.
Dann wurde sie weit geöffnet und ein gut, wenn auch nicht protzig gekleideter junger Mann mit einem freundlichen Lächeln, hellen, blauen Augen und fast schon weißblondem Haar kam zum Vorschein, der zur Begrüßung die Hand ausstreckte.
»Ein Mönch!«, sagte er in schlechtem Latein. »Mit einem Anliegen. Nun, Bruder, tretet ein, wenn Euch unsere Lasterhöhle nicht stört.«
Hinter dem jungen Mann machte jemand eine empörte Bemerkung. Er lief rot an und sein Lächeln schwand. »Nun, guter Bruder. Vielleicht keine wirkliche ›Lasterhöhle‹, aber dennoch für jemanden wie Euch ein recht weltlicher Ort. Bitte, tretet ein.«
Thomas ging an dem Wirt vorbei, dankte ihm mit einem Kopfnicken und ergriff die Hand, die ihm der junge Mann entgegenstreckte. »Bruder Thomas Neville«, sagte er, »vielen Dank, dass Ihr mich empfangt.«
Und dann überraschte er den jungen Mann, indem er ihm ein verwegenes Lächeln schenkte, bevor er ein ernsteres Gesicht aufsetzte und das Zimmer betrat.
Der junge Mann schloss die Tür hinter ihm.
Es war ein großes und helles Gemach, welches das gesamte zweite Stockwerk einnahm. Offensichtlich das beste des Gasthauses. Drei verglaste Fenster – es war ein reiches Gasthaus – nahmen die Ostwand ein, und darunter standen Truhen und Bänke. Im hinteren Teil des Zimmers befanden sich zwei mit Vorhängen versehene Betten; die Vorhänge waren zurückgezogen, sodass die Sonne auf die Bettdecken fiel. Reisetruhen und Körbe standen neben den Betten und an ihrem Fußende.
An der Wand gegenüber den Fenstern befand sich ein riesiger Kamin, der so groß war, dass nicht nur ein Feuer, sondern auch Bänke Platz fanden, die ihn zu beiden Seiten umgaben. Ein Dreifuß mit einem dampfenden Kessel an einer Kette stand neben dem Kamin.
Doch es war die Mitte des Raumes, die Thomas’ Aufmerksamkeit auf sich zog. Dort befand sich ein massiver Tisch – ein richtiger Tisch, keine aufgebockte Tischplatte –, um den herum einige Stühle standen.
Darauf saßen vier Männer, und der junge Mann, der Thomas hereingelassen hatte, setzte sich zu ihnen.
Alle fünf starrten Thomas schweigend an.
Am Kopfende des Tisches, ihm direkt
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