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Hueter Der Macht

Hueter Der Macht

Titel: Hueter Der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
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gegenüber, saß ein Mann, der nur wenige Jahre älter war als Thomas, aber deutlich abgehärmter wirkte. Wie der junge Mann, der Thomas an der Tür empfangen hatte, war er gut, aber nicht übertrieben protzig gekleidet: in eine dunkelgrüne Wolltunika, Gamaschen und ein feines Leinenhemd. An seinen Fingern steckten mehrere Gold- und Granatringe. Er hatte kurzes graubraunes Haar, ein offenes Gesicht und dunkelbraune Augen, die Intelligenz ausstrahlten… aber auch Wachsamkeit, die wohl eher gewohnheitsmäßig war, als dass sie Besorgnis über den unerwarteten Besucher zum Ausdruck brachte.
    »Guter Mönch«, sagte der Mann. »Wie können wir Euch helfen?«
    Er sprach mit wohlklingender Stimme und sein Latein war das eines gebildeten Mannes.
    Thomas neigte nicht nur den Kopf, sondern verbeugte sich mit dem ganzen Oberkörper. »Meister Marcel. Ich danke Euch, dass Ihr mir gestattet, mein Anliegen vorzutragen.«
    Aus irgendeinem Grund verspürte Thomas augenblicklich eine Verbundenheit mit diesem Mann. Er war ein gottesfürchtiger Mensch, der Vertrauen und Hochachtung verdient hatte.
    Gott oder der Erzengel Michael hatten ihn in diese Stadt geführt, in dieses Gemach und zu diesem Mann.
    Marcel nickte und wies dann auf die anderen Männer am Tisch. »Wir sind eine Gruppe von Kaufleuten und«, er lächelte sanft in Richtung eines dunkelhaarigen Mannes um die dreißig, »einem Bankier, Giulio Marcoaldi, aus einer angesehenen florentinischen Familie.«
    Thomas nickte dem Bankier zu. »Meister Marcoaldi.«
    Marcoaldi neigte ebenfalls den Kopf, sagte jedoch nichts.
    »Zu meiner Rechten«, sagte Marcel und wies auf einen asketisch wirkenden Mann, der genauso alt wie er selbst schien und ebenso gut gekleidet war, »sitzt William Karle, ein Kaufmann aus Paris.«
    »Meister Karle«, sagte Thomas.
    »Und neben ihm befindet sich Christoffel Biermann, ein Wollhändler aus Flandern. Sein Sohn Johann hat Euch an der Tür begrüßt.«
    Thomas lächelte und nickte den Biermanns zu; der Vater war das ältere Ebenbild seines blonden, fröhlichen Sohnes.
    »Und ich«, sagte Marcel, »bin Etienne Marcel, wie Ihr schon festgestellt habt. Ich bin Tuchhändler und reise über den Markt von Nürnberg nach Paris zurück.«
    »Mehr als nur ein ›Tuchhändler‹«, sagte Biermann auf Latein mit einem starken Akzent, »denn Marcel ist auch der Vorsteher der Kaufleute von Paris.«
    Thomas blinzelte überrascht. Kein Wunder, dass er eine solch gebieterische Ausstrahlung hatte. Die Stellung des Vorstehers der Kaufleute von Paris war in etwa vergleichbar mit der des Oberbürgermeisters von London. Ein wahrhaft mächtiger und einflussreicher Mann.
    Und so weit von der Heimat entfernt… Thomas fragte sich, warum er so weit reiste. Seine Pflichten als Vorsteher banden ihn doch sicher an Paris.
    »Ich bin Thomas Neville«, sagte Thomas. Es gab eigentlich keinen Grund, seine Herkunft bereits bei der Vorstellung zu erwähnen – das klang zu sehr nach weltlichem Stolz –, doch Thomas hoffte, Marcel damit beeindrucken zu können und ihn dazu zu bewegen, ihn auf seine Reise in den Norden mitzunehmen. »Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft.«
    »Welche wir noch keineswegs unter Beweis gestellt haben«, sagte Marcel. »Wollt Ihr Euch nicht setzen? Und Euren Durst und Hunger stillen?«
    Thomas nickte und setzte sich auf den Stuhl, den Marcel ihm anbot. Er nahm den Bierkrug, den Johann ihm reichte, trank einen Schluck – das Bier war dick und cremig und von sehr guter Qualität – und stellte ihn dann wieder ab.
    »Ihr fragt Euch sicher, weswegen ich Euch störe«, sagte er.
    Marcel zog die Brauen zusammen, sagte jedoch nichts.
    »Ich reise nach Norden«, fuhr Thomas fort, »nach Nürnberg, und wenn ich es recht verstanden habe, ist dies auch Euer Ziel. Ich muss so schnell wie möglich dorthin gelangen und hoffe, eine Gesellschaft von Kaufleuten zu finden, die ebenfalls nach Nürnberg unterwegs ist. Ich weiß, das Letzte, was Ihr braucht, ist…«
    »Woher kommt Ihr?«, fragte Marcoaldi. »Ihr stammt nicht aus dem Dominikanerorden von Florenz.«
    »Ich komme aus Rom. Obwohl«, Thomas lächelte so entwaffnend wie möglich, angesichts von Marcels Nationalität, »Ihr an meiner Aussprache sicher erkennen könnt, dass ich…«
    »Engländer bin«, sagte Marcel und seine Stimme klang angespannter als zuvor. Er kniff die Augen zusammen und blickte Thomas durchdringend an. »Das habe ich nicht nur an Eurer Stimme erkannt. Der Name Neville ist in vielen Teilen

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