Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
ignorierte die Gemüsestückchen vollständig. Emily seufzte. Ihre Katze war eindeutig zu anspruchsvoll.
Sophia schenkte sich Tee nach, doch Emily schob hastig die Hand über ihre eigene Tasse. Sie hätte keinen Schluck mehr von dem seltsamen Gebräu hinuntergebracht.
„Du siehst furchtbar müde aus.“ Sophia stand auf. „Geh doch schon mal nach oben in meine Privatbibliothek, dann zeige ich dir gleich dein Zimmer. Ich räume nur schnell das Geschirr in die Küche.“
Emily nickte. Sie stand auf, holte im Flur ihren Koffer und den Rucksack und folgte Amethyst, die ihr voran die Treppe hoch lief. Im oberen Stockwerk sah es genauso aus wie unten: Der Flur und alle Räume waren mit Büchern überfüllt.
„Welches ist denn deine Privatbibliothek?“, rief Emily. Das Klappern, das aus der Küche drang, hörte für einen Moment auf.
„Natürlich der Raum mit den Büchern “, rief Sophia. Dann klapperte das Geschirr weiter.
„Natürlich“, murmelte Emily resigniert und beschloss, einfach im Flur zu warten. Es dauerte nicht lange, bis ihre Großtante ebenfalls die Treppe hoch kam.
„Hier entlang“, sagte sie und betrat das Zimmer ganz am Ende des Flurs. In einer Ecke führte eine Wendeltreppe nach oben und verschwand in der Decke.
„Da oben ist dein Zimmer“, erklärte Sophia. „Es sollte alles da sein, was du brauchst. Morgen wecke ich dich rechtzeitig. Ich muss wieder in die Bibliothek, du kannst mitkommen, wenn du willst. Und jetzt schlaf gut.“
„Gute Nacht“, erwiderte Emily. Dann stieg sie die enge Wendeltreppe hoch. Mit dem Koffer und dem Rucksack war das gar nicht so einfach, und dass Amy ihr dauernd zwischen die Füße kam, half auch nicht gerade. Als sie oben ankam, ließ sie ihr Gepäck aufatmend fallen.
Das Zimmer lag direkt unter dem Dach. Es war lang und schmal, und an jeder Querseite befand sich ein großes rundes Fenster. Die Wände liefen schräg nach unten und endeten kurz über dem Fussboden. Der Raum war erstaunlich bücherfrei. Nur ein Regal mit einigen Bänden stand zwischen dem Schrank und dem Bett. Ansonsten gab es noch einen Tisch mit zwei Stühlen und einige bequeme Sessel. Die Möbel waren aus Holz gefertigt und sahen aus, als würden sie vor lauter Wurmlöchern nächstens auseinander fallen. Auch die Teppiche wirkten ziemlich fadenscheinig. Trotzdem war der Raum ausgesprochen gemütlich, fand Emily. Erleuchtet wurde er von einigen Gaslampen.
In der Wand neben dem Tisch entdeckte sie eine Tür. Als Emily sie öffnete, blickte sie in ein winziges Badezimmer. Eine altmodische Badewanne mit Füssen stand dort, es gab ein Klo mit Kettenspülung und einen fleckigen Spiegel über der Waschschüssel.
„Ist doch gar nicht so schlecht, oder, Amy? Ein Bad für uns allein, das hatten wir noch nie“, sagte Emily. Dann warf sie einen nachdenklichen Blick auf ihr Bett. Obwohl die Müdigkeit schwer wie Blei an ihr hing, wusste sie, dass sie noch nicht schlafen konnte. Stattdessen wickelte sie die Bettdecke um sich und setzte sich auf eines der Fensterbretter. Ein halber Mond stand über den Dächern und beschien die Stadt. Wolkenfetzen zogen vor den Sternen durch. Von irgendwo her schlug es Mitternacht.
Es war verrückt, dachte Emily. Bis gestern hatte sie ein völlig normales Leben geführt, und jetzt war auf einmal alles ganz anders. Wenigstens war Amy bei ihr. Emily hätte es zwar vor jemand anderem nicht zugegeben, aber in der stillen Nacht begann sie ihre Eltern ziemlich zu vermissen. Sie hätte nicht einmal etwas dagegen gehabt, lateinische Sätze zu übersetzen oder sich Vorträge über mittelalterliche Ruinen anzuhören.
Erst, als es halb zwei schlug, stieg Emily vom Fensterbrett und legte sich ins Bett. Amethyst sprang aufs Kissen, wie sie es schon immer getan hatte, und rollte sich neben Emily ein. Trotzdem dauerte es noch lange, bis Emily wirklich einschlief. Alles war ungewohnt: Der raue Bezug der Bettdecke, der auf der Haut kratzte, das Knacken der Dachbalken, die Schatten im Zimmer.
Sie hörte die Uhr noch zwei und drei Uhr schlagen, bevor sie in einen unruhigen Schlaf fiel, voller Träume über Reiter mit roten Umhängen, grinsende Moorleichen und blinde Pferde, die zwischen ihren Zähnen krachend morsche Federkiele zermalmten.
Arcanastra
„Meine Güte, wie konnte das passieren… autsch!“
Es rumste, der Boden zitterte, und etwas fiel scheppernd zu Boden. Emily setzte sich kerzengerade im Bett auf.
„Wie… was…“, murmelte sie verwirrt und blinzelte. Die
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