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Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)

Titel: Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Richner
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Schieferstachler drehte den Kopf und schaute ihnen nach, bis sie klappernd neben ihm zu Boden fielen. Er schnaubte. Interessiert stupste er die Kiesel mit der Schnauze an, so dass sie immer weiter rollten. Der Schieferstachler ging ihnen nach, weg von den Kindern. Er war vollständig abgelenkt.
    „Hier entlang“, flüsterte Hannah, und sie führten ihre Pferde durch eine schmale Gasse hinter dem Schieferstachler vorbei. Bald war sein glückliches Schnauben nur noch aus der Ferne zu hören.
    „Haben sie ihn absichtlich freigelassen?“, fragte Emily.
    „Klar, das gehört zur Prüfung“, sagte Finn und lachte. „Diese Ungeheuer freuen sich immer wahnsinnig, mal an die frische Luft zu kommen. Und es macht die Prüfung ein bisschen spannender, oder nicht?“
    Emily seufzte. Typisch Finn, dass er einen mörderischen Schieferstachler spannend fand.
    Rasch ritten sie weiter. Emily war froh um jede Ecke, hinter der kein neuer Schrecken lauerte, und als sie endlich bei der Bibliothek ankamen, atmete sie erleichtert auf.
    Direkt vor der Mauer war ein kleines Podest errichtet worden. Die Prüfungsrichter saßen dort auf gepolsterten Sesseln und schrieben auf, welche Kinder bestanden hatten. Auch Ilja, Shaddock, Van der Vries mit seinem Hündchen und Madame Foucault waren dabei. Als sie Finn und Emily entdeckte, fragte sie verwirrt:
    „Was tut ihr denn hier?“
    „Die Prüfung bestehen“, erklärte Finn höflich. Madame Foucault runzelte die Stirn.
    „Du bist noch nicht vierzehn.“
    „Aber fast“, wagte Finn einzuwenden. „Es fehlen nur noch einige Wochen. Na ja, vielleicht sind es einige Monate…“
    „Die Regeln sind klar“, schnappte Madame Foucault. „Und was hast du für eine Erklärung? Soviel ich weiß, bist du sogar erst zwölf.“ Ärgerlich schaute sie Emily an.
    „Zwölf ein Drittel“, murmelte Emily, worauf Madame Foucault aussah, als würde sie gleich platzen.
    „Ich… ähm… möchte später vielleicht auch gerne Wächter werden…“, stotterte Emily. Wie hätte sie sonst erklären sollen, weshalb sie in Arcanastra gewesen war? Sie fühlte Shaddocks eisigen Blick auf sich. In diesem Moment hätte sie es lieber mit dem Schieferstachler oder den Irrlichtern aufgenommen, als hier zu stehen. Madame Foucault schnauzte sie an:
    „Und da konntest du nicht wie alle anderen“, sie warf Finn einen Blick zu, „wie fast alle anderen warten, bis du alt genug bist?“
    Emily blieb stumm.
    „Ich bin alt genug“, murrte Finn hinter ihr.
    „Aber du bist nicht vierzehn “, stellte Madame Foucault wütend fest. Finn ballte die Faust. Hannah stupste ihn beruhigend an, dann sagte sie:
    „Aber Sie finden doch auch, dass wir momentan jeden Wächter gebrauchen können?“
    Madame Foucaults Lippen waren zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
    „Das ist nicht der Punkt. Ihr beide trainiert auf keinen Fall mit den Wächtern, auch wenn ihr die Prüfung bestanden habt.“
    „Adèle, meine Liebe, das kannst du so nicht sagen“, mischte Ilja sich behutsam ein. „Die Regeln sind klar. Wer die Prüfung besteht, wird aufgenommen. Wenn wir die Kinder, die zu jung sind, nicht an der Teilnahme hindern, ist das unser Fehler. Versteh mich nicht falsch, ich bin auch nicht für eine Aufnahme, aber ich fürchte, wir haben keine Wahl.“
    Madame Foucault schnaubte. Sie wechselte einen Blick mit Shaddock, der sie ausdruckslos ansah, und sagte dann:
    „Na schön, na schön, die Regeln. Ihr seid aufgenommen. Aber wagt es ja nicht, euch zu freuen!“ Drohend richtete sie den Zeigefinger auf Emily und Finn.
    „Verstanden“, sagte Finn und sah dabei unverschämt glücklich aus.
    Das konnte man von Emily nicht behaupten. Sie war erschöpft vom gefährlichen Gespräch mit der Orakelmechanik und vom Kampf mit dem Schieferstachler, sie konnte Shaddock nicht ansehen, ohne an das tote Mädchen zu denken, sie war bei den Wächtern aufgenommen geworden, was sie keinesfalls gewollt hatte, und jetzt war auch noch Madame Foucault ziemlich wütend auf sie.
    Es war einfach zu viel für einen einzigen Tag.

Spurensuche
    Emily merkte bald, dass Miki recht gehabt hatte mit seiner Warnung vor der Orakelmechanik. In der folgenden Nacht wurde sie von schlimmen Albträumen gequält. Wieder hielt sie die schwebende Kugel in der Hand, und in ihrem Kopf sah sie schreckliche Bilder: Emma, die von einer Klippe ins Meer stürzte, Miki und Finn in einem erbitterten Zweikampf, ihre Eltern, die von einem Irrlicht angegriffen und verletzt wurden,

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