Hüter der verborgenen Bücher (Buch 1)
euch die Gelegenheit dazu geben. Während dem nächsten Wochenende werdet ihr beide mein Haus bewachen. Ich erwarte euch am Samstag um sechs Uhr morgens.“
„Ihr Haus?“, fragte Finn verblüfft. „Wieso denn bewachen?“
„Weil ich es sage“, fauchte Madame Foucault. Und damit schritt sie würdevoll davon.
Sprachlos starrte Finn ihr nach.
„Toll“, murmelte Emily. „Einfach großartig.“
Miki schaute sie mitfühlend an, aber Emma kicherte:
„Ich würde sagen, ihr habt ein wirklich interessantes Wochenende vor euch.“
Emily seufzte schwer, als am Samstagmorgen um fünf Uhr ihr Wecker klingelte. Sie zog sich an, wankte in die Küche und aß mit geschlossenen Augen etwas Toast. Wenigstens kam Amy von ihrem nächtlichen Ausflug zurück, um ihr Gesellschaft zu leisten. Dann machte Emily sich auf den Weg zum Haus der Obersten Bibliothekarin.
Es war noch stockfinster in Arcanastra, Emily entdeckte kein einziges beleuchtetes Fenster. Ein eisiger Wind pfiff um die Hausecken, und der Rauch aus den Schornsteinen verteilte sich zwischen den glitzernden Sternpunkten. Nach einer Weile gähnte Emily nicht mehr so häufig. Die kalte Luft hatte sie aufgeweckt.
„Eine wirklich blöde Idee“, murrte Finn, als Emily ihn vor Madame Foucaults Haus traf. Er sah schrecklich müde aus.
„Sollen wir anklopfen?“, fragte Emily unschlüssig. „Vielleicht schläft sie ja noch.“
„Wenn wir es nicht tun, glaubt sie uns danach bestimmt nicht, dass wir rechtzeitig hier waren“, sagte Finn. „Ich habe keine Lust, das am nächsten Wochenende zu wiederholen.“
Entschlossen klopfte er an. Etwas besorgt wartete Emily, doch als Madame Foucault die Tür öffnete, sah sie putzmunter aus.
„Da seid ihr ja“, meinte sie zufrieden. „Na dann, gute Wache.“
Und damit verschwand sie im warmen Haus.
„Und was genau sollen wir jetzt tun?“, fragte Finn mürrisch. Emily zuckte die Schultern.
„Einfach hier stehen bleiben“, vermutete sie. Finn seufzte und lehnte sich gegen die Wand.
„Verfluchte Kälte“, murmelte er. Auch Emily begann zu frieren. Verzweifelt zog sie Sophias quietschbunte Mütze so weit wie möglich über die Ohren und schob die Hände tief in die Taschen ihres Mantels, doch es nützte nicht viel. Bald klapperten ihr die Zähne, und sie hüpfte auf und ab, um wenigstens ein bisschen warm zu werden. Ihre Zehen konnte sie schon nicht mehr fühlen. Wenigstens stieg irgendwann eine fahle Sonne über den Horizont, und es wurde hell in Arcanastra.
„Es hätte ein so schöner Tag werden können“, schimpfte Finn vor sich hin. „Ausschlafen, durch Arcanastra oder die Ringstadt bummeln, beim Panoptikum vorbeischauen… aber natürlich muss sie mir alles kaputt machen, diese…“, er warf einen wütenden Blick zum Haus und verschluckte das letzte Wort vorsichtshalber.
Emily hörte nur mit halbem Ohr zu. Auf einmal aber hob sie den Kopf.
„Hörst du nichts?“, fragte sie Finn.
„Was denn?“, brummte er wenig interessiert, aber nach einer Weile nickte er.
„Klingt nach… Geschrei“, sagte er angespannt. Die beiden starrten in die Richtung, aus welcher der Lärm kam.
„Siehst du was?“, fragte Emily. Finn schüttelte den Kopf. Der Lärm schien allmählich näher zu kommen.
Auf einmal wurde die Haustür hinter ihnen aufgerissen. Madame Foucault stürmte an ihnen vorbei Richtung Bibliothek. Sie sah ziemlich besorgt aus.
„Ihr bleibt, wo ihr seid!“, rief sie noch über die Schulter, dann war sie um die nächste Ecke verschwunden. Verwirrt schaute Emily ihr nach.
„Was zum Henker ist hier eigentlich los?“, murmelte Finn.
Emily kniff die Augen zusammen. Das Geschrei schien nur wenige Meter von ihnen entfernt zu sein. Sie erhaschte einen Blick auf einen riesigen Schatten, der zeitweise zwischen den Häusern auftauchte … er schien sich sehr schnell zu bewegen, und er erinnerte Emily an etwas…
„Der Schieferstachler!“, rief sie erschrocken, als sie den Schatten deutlicher sah.
Es gab keinen Zweifel: Der Schieferstachler befand sich nicht im Bestiarium, wo er hingehörte, sondern mitten in Arcanastra.
„Bist du sicher?“, fragte Finn, doch in diesem Moment tauchte der Schieferstachler in voller Größe am Ende der Straße auf.
„Versteck dich“, zischte Finn. Die beiden konnten gerade noch zwischen zwei Häuser flüchten, als der Schieferstachler auch schon vorüberlief. Glücklicherweise hatte er sie nicht gesehen und bog um die nächste Ecke. Jetzt kam das Geschrei aus
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