Hüter des Todes (German Edition)
chemischen Rauchabzug entfernt. Nichtsdestotrotz behandelte Richards die Mumie mit der allergrößten Vorsicht.
Sie notierte die Beschädigungen an den bandagierten Händen, am Kopf und – am ausgeprägtesten – im Bereich der Brust. Sie hatte immer noch Schwierigkeiten mit der Vorstellung, dass Fenwick March – einer der berühmtesten Archäologen auf der Welt – so etwas getan haben sollte. Nicht nur, dass er die Mumie geplündert hatte, sondern auch die geradezu unprofessionelle und höchst primitive Art und Weise, wie er es getan hatte. Die tödliche Verlockung eines antiken Schatzes. March hatte diese Schätze sein ganzes Leben lang studiert, hatte sie gekannt wie kein Zweiter – doch der Fund Narmers war offensichtlich zu viel für ihn gewesen. Es war der Tropfen, der eine entscheidende Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Und offenbar dazu geführt hatte, dass bei March eine Sicherung durchgebrannt war.
Amanda schwenkte eine UV-Lampe über die Mumie. Es mochte gefühllos sein, so zu denken, doch ein Teil von ihr war erleichtert darüber, dass March aus dem Weg war. Für seine Untergebenen war er ein Tyrann gewesen, hatte sich in alles eingemischt und darauf bestanden, dass die Dinge auf seine Weise gemacht wurden und nicht anders, hatte sich aufgeplustert und schikaniert und lamentiert. Es war das zweite Mal gewesen, dass Amanda Richards mit March gearbeitet hatte, und diesmal hatte er sich noch viel schlimmer aufgeführt als beim ersten Mal. Vielleicht passte es ja doch zu seinem Charakter, dass er die Mumie ausgeplündert hatte. Sie zuckte die Schultern. Sie wusste nur eines mit Sicherheit: Wenn er es nicht getan hätte, dann hätte wahrscheinlich jemand anderes versucht, die Mumie zu plündern, und March hätte jetzt hinter ihr gestanden und ihr über die Schulter geblickt, finster dreingeblickt, jede ihrer Bewegungen kommentiert und ihr gesagt, was sie alles falsch machte.
So jedoch konnte sie unbehelligt im stillen forensischen Labor arbeiten.
Sie führte die UV-Lampe langsam über die Mumie. Überreste von Fett fluoreszierten unter dem Lichtschein in blassem Gold. Dunkle Flecken überall in den oberen Schichten der Bandagen, die March in seiner Gier nach Gold und Juwelen aufgerissen hatte, zeigten an, wo die Techniker das klebrige Glycerol mit einer inerten Komponente stabilisiert und damit wirkungslos gemacht hatten.
Amanda Richards schaltete die Lampe aus und schob sie beiseite. Die Brust der Mumie war der am schlimmsten zugerichtete Bereich, und hier würde sie mit ihren Restaurationsarbeiten anfangen.
Sie rollte eine starke chirurgische Lampe herbei, richtete den Lichtkegel auf die Brust der Mumie und untersuchte die Beschädigungen mit einer Juwelierslupe. March hatte die Bandagen mit einem Skalpell einfach durchtrennt und zahlreiche Schichten freigelegt wie geologische Strata. Der anepigraphische Skarabäus war entfernt worden, doch zahlreiche andere, kleinere Schätze und Kostbarkeiten lugten noch unter den Bandagen hervor: Perlen, Fayence-Amulette, goldene Anhänger und die übrigen Gegenstände, die den «magischen Schild» bildeten, der Narmer auf seiner Reise in die nächste Welt beschützen sollte.
Sie schüttelte den Kopf und gab einen leisen missbilligenden Laut von sich. March hatte die Bandagen auf Narmers Brust derart zerstückelt, dass sie noch mehr davon abwickeln musste, bevor sie auch nur einen Gedanken daran verschwenden konnte, die ursprüngliche Ordnung wiederherzustellen.
Mit Hilfe einer Pinzette zog sie vorsichtig die Ränder der Bandagen beiseite und legte die tieferen Schichten frei, zerzaust und zerfetzt durch die Explosion von Narmers Personenfalle. Sie legte die Pinzette beiseite, nahm ein Skalpell zur Hand und schnitt zuerst eine, dann eine zweite Bandage auf, befreite sie aus dem Gewirr und zog sie beiseite. Sie hasste es, das tun zu müssen, doch es gab keine andere Möglichkeit, die Beschädigungen zu reparieren. Amanda Richards packte das Skalpell fester und durchtrennte eine weitere Schicht. Jetzt war Narmers Haut freigelegt, bedeckt nur noch von einem dünnen Gewand und einem goldenen Brustpanzer, der sich etwas zur Seite verschoben hatte, wahrscheinlich aufgrund der chemischen Reaktion. Das war gar nicht gut – es bestand die Gefahr, dass er an den falschen Stellen auf den Körper drückte und den Leichnam womöglich noch stärker beschädigte. Sie musste den Panzer wieder mittig auf Narmers Brust platzieren. Anschließend
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