Hüter des Todes (German Edition)
stellte er fest.
«Falls ja, dann ist es wahrscheinlich Meteoriteneisen», sagte Christina Romero, die sich von den Schriftrollen abgewandt hatte. «Und es wäre ein paar hundert Jahre früheres Eisenvorkommen, als wir es bisher bei den alten Ägyptern nachgewiesen haben.»
Doch Stone war bereits zum dritten Behälter übergegangen. Er öffnete ihn, schob die Hand hinein, zog sie wieder heraus. In der hohlen Hand hielt er Dutzende faserdünner Fäden aus reinem Gold, ineinander verdreht wie ein Knäuel aus Lametta.
«Was zum Teufel ist denn das ?», murmelte er.
Christina Romero trat zu der Urne aus Schwarzrand-Keramik. Behutsam leuchtete sie mit der Taschenlampe in das offene Gefäß. «Leer», stellte sie fest. Dann hob sie das Gefäß an ihre Nase und schnüffelte misstrauisch. «Eigenartig. Es riecht säuerlich. Wie … wie Essig.»
Stone kam zu ihr, nahm ihr das Gefäß aus den Händen und schnüffelte ebenfalls. «Sie haben recht», sagte er und gab ihr die Amphore zurück.
«Kupferbänder, Eisendorne, Goldfasern …», murmelte Logan. «Was hat das alles zu bedeuten?»
«Ich weiß es nicht», sagte Stone. «Aber das dort wird all Ihre Fragen beantworten – und noch viel mehr.» Er deutete auf die onyxfarbene Truhe, die genau in der Mitte des Raumes stand. « Das dort wird uns alle berühmt machen – und dafür sorgen, dass ich als der größte Archäologe aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehe.»
«Sie glauben …» Rush verstummte. «Sie glauben, dass in dieser Truhe die ägyptische Doppelkrone verborgen ist?»
«Ich weiß , dass sie dort drinnen ist. Es ist die einzige Erklärung. Es ist das letzte Geheimnis in der letzten Kammer von Narmers Grab.» Stone wandte sich an Valentino. «Frank? Ihre Männer sollen mir zur Hand gehen.»
Langsam kam die Gruppe näher und drängte sich in einem schweigenden Kreis um den schwarzen Sarg. Alle besessen von dem gleichen Gedanken.
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47
Amanda Richards betrat das Labor für forensische Archäologie und schaltete mit einem Fingerschnippen die Deckenbeleuchtung ein. Für einen Moment stand sie im Eingang und betrachtete die Regale mit Instrumenten und Geräten, die sorgfältig geschrubbten Labortische und Arbeitsflächen. Dann trat sie zu einem Tisch in einer Ecke. Der Raum roch schwach nach Formaldehyd und anderen chemischen Konservierungsmitteln und – schaurigerweise – nach Schwefel.
Sie setzte sich, nahm einen Ordner unter dem Arm hervor, legte ihn vor sich auf den Tisch und schlug ihn auf. Für eine Weile studierte sie die Dokumente darin: Röntgenfluoreszenzanalyse, die unvermeidlichen CT-Aufnahmen, Radiographien sowie eine kurze zusammenfassende Stellungnahme von Christina Romero, alles zum gleichen Thema: die Mumie von König Narmer.
Sie klappte den Ordner wieder zu und saß für einen Moment still da, während sie im Geist eine Checkliste durchging. Dann erhob sie sich und begann, die benötigten Werkzeuge zusammenzusuchen: Skalpelle, Leinenzwirn in Archivqualität, Pinzetten, Zangen, Teflonnadeln, Glasfaser-Tabletts, Stücke von antiken Leinenbandagen, die zu stark verwittert oder zu sehr beschädigt waren, um einer forensischen Untersuchung würdig zu sein. Als sie alles beisammenhatte, ging sie damit zum Kühlfach an der Wand, packte den Handgriff und zog behutsam die mumifizierten Überreste von König Narmer hervor.
Das Kühlfach war ähnlich aufgebaut wie die Fächer im Lagerraum, wo Fenwick March den Tod gefunden hatte bei seinem Versuch, Narmers Mumie auszuplündern – mit einem Unterschied: Dieses Fach war mit einer Inert-Atmosphäre aus Stickstoff ausgestattet. Da March die Mumie so rücksichtslos beschädigt und die Bandagen aufgeschnitten sowie das Mikroklima darunter gestört hatte, musste jeder nur denkbare Versuch unternommen werden, um weitere Verwesung oder Zersetzung zu unterbinden. Genau das war der Grund für Richards’ Anwesenheit: So gut es ging die Schäden zu beheben, die March verursacht hatte, und die Mumie für den Transport zu Porter Stones Laborkomplex in der Nähe von London vorzubereiten, wo eine umfassendere und behutsamere Restauration möglich war.
Sie klappte das Stützbein unter der Lade heraus und justierte es. Dann streifte sie Latex-Handschuhe und eine chirurgische Maske über und machte sich an eine sorgfältige Untersuchung der Mumie. Bereits früher am Tag hatten Techniker die beiden Komponenten in den Bandagen der Mumie, die die antike Falle bildeten, unter einem
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