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Hüter des Todes (German Edition)

Hüter des Todes (German Edition)

Titel: Hüter des Todes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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kalten, gefliesten Boden berührten.
    Sie erhob sich und machte einen zögernden Schritt nach vorn, dann noch einen. Die Klammer des Pulsoximeters fiel von ihrem kleinen Finger ab, als er an einem der Geräte entlangstreifte. Sie griff sich ins Gesicht, ertastete das Gewirr von Kabeln an Hals und Stirn und riss alles herunter wie lästige Spinnweben. Dann blickte sie sich um. Ihre Augen waren verhangen, doch nichtsdestotrotz fokussiert.
    Die Tür lag genau vor ihr. Sie ging darauf zu und blieb stehen, als sie erneut einen Widerstand spürte. Diesmal störte sie der intravenöse Tropf, der transparente Schlauch, der vom Infusionsbeutel zum Katheter lief. Jennifer versuchte weiterzugehen, beobachtete, wie der Beutel nach vorn kippte, blickte vom Schlauch zu der Nadel in ihrem Handrücken, dann packte sie den Katheter und riss ihn unwirsch aus ihrer Vene.
    Nun erreichte sie ohne weitere Schwierigkeiten die Tür.
    Sie verließ die Krankenstation und betrat den zentralen Gang von Sektion Rot. Sie sah zuerst nach links, dann nach rechts – der Korridor war verlassen, der größte Teil des dienstfreien Personals war entweder in seinen Quartieren oder in den Gesellschaftsräumen und wartete gespannt auf Neuigkeiten aus der dritten Kammer.
    Für einen Moment zögerte sie, vielleicht, um sich zu orientieren, vielleicht auch nur, um ihr Gleichgewicht zu stabilisieren. Dann bog sie nach links und ging den Korridor hinunter. An der ersten Kreuzung wandte sie sich nach rechts. Ihre Augen blieben trüb, und ihre Schritte waren stockend wie von jemandem, der viel zu lange nicht mehr gelaufen war – doch je weiter sie kam, desto sicherer wurde sie, und desto regelmäßiger ging auch ihr Atem.
    Vor einer Tür mit der Aufschrift LEBENSGEFAHR – ZUTRITT STRENGSTENS VERBOTEN. EXPLOSIVE UND HOCHBRENNBARE MATERIALIEN blieb sie stehen. Sie drückte die Klinke herunter und fand die Tür verschlossen. Doch die Ausweiskarte um ihren Hals – so dünn, so unglaublich leicht, solch ein hübsches glänzendes Blau – glitt ganz leicht durch den Leseschlitz neben der Tür; es gab ein Klicken, als das Schloss aufsprang, und Jennifer Rush schlüpfte in den Raum dahinter und war verschwunden.

[zur Inhaltsübersicht]
    50
    Schockierte Stille hatte sich über die dritte Grabkammer gelegt. Logan beobachtete, wie Porter Stone langsam vor der großen Onyx-Truhe in die Knie sank – ob aus Enttäuschung oder vor Erschöpfung ließ sich nicht mit Sicherheit sagen. Wortlos ließ Stone die beiden Objekte zu Boden gleiten.
    Logan blickte sich in der Kammer um. Die schwarzen Wände glänzten stumpf im Lichtschein der Taschenlampen. Logan starrte auf die Hanfbündel, die wild verstreut rings um die Truhe lagen. Er sah zu dem Bett an der Rückwand der Kammer mit der einst wunderschönen Decke und dem Kissen, fast völlig in der Dunkelheit verborgen. Er blickte zu dem goldgerahmten Tisch mit den sorgfältig arrangierten Papyri und zu den kleinen, bis vor wenigen Minuten noch versiegelten goldenen Boxen, die ihren Inhalt preisgegeben hatten: Kupferrollen, ein Nagel aus Meteoriten-Eisen, Goldfäden. Schließlich kam sein Blick auf den beiden Apparaten – ihm wollte kein passenderer Ausdruck einfallen – zur Ruhe. Das weiße, schalenartige Gebilde und das konkave rot emaillierte Ding lagen dort, wo Stone sie abgelegt hatte, auf den Beuteln aus gewebtem Gold, in denen sie fünftausend Jahre lang geruht hatten, Rätsel, die den Betrachter förmlich dazu herausforderten, ihre Geheimnisse zu entschlüsseln.
    Es war geradezu absurd.
    Alles an Narmers Grab war anders gewesen als erwartet, von Anfang an. Es war den Gräbern jener Könige ähnlich, die Jahrhunderte später regiert hatten – und doch auf mancherlei Weise ganz unähnlich und eigen. Die Mumie hatte in der zweiten Kammer gelegen, nicht in der dritten – das ließ den Schluss zu, dass in der dritten Kammer demzufolge etwas liegen musste, das für das Leben im Jenseits noch bedeutsamer war. Trotzdem hatte Logan, während er die Schriftrollen, die Metallstücke, all die anderen Artefakte ansah, nicht den Schimmer einer Vorstellung, was daran so bedeutsam sein sollte.
    Er starrte auf die beiden absonderlichen Gebilde. Eines rot, das andere weiß, genau wie die antiken Kronen von Ober- und Unterägypten.
    «Kronen», murmelte er.
    Seine Stimme war die erste, die die Stille durchbrach. Ein halbes Dutzend Köpfe drehte sich zu ihm herum. Stone jedoch reagierte nicht. Er wandte Logan den Rücken zu.
    «Ja?»,

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