Hüter des Todes (German Edition)
daran, den strampelnden Mann aus dem Griff des Sudd zu befreien. Dieser hatte den freien Arm um eine zweite Gestalt in Neoprenmontur, die sich kaum bewegte. Beide Taucher wurden aus dem Schlund gezogen und auf den Boden gelegt. Sie waren über und über bedeckt mit einem Zeug, das die Konsistenz von Haferschleim besaß. Mit einem Schlag roch der ganze Raum nach Verwesung und totem Fisch.
«Spritzt die beiden ab», ordnete Valentino an.
Noch während ein Team herbeieilte, um die beiden Taucher vom haftenden Schlick zu befreien, bugsierte Rush den Verletzten auf eine Trage. Er zog ihm die Maske und die Haube vom Kopf, ergriff ein Skalpell und schlitzte den Neoprenanzug vom Hals bis zum Nabel auf. Der Mann stöhnte und wand sich auf der Trage. Auf seinen Lippen stand blutiger Schaum.
Hastig platzierte Rush ein Stethoskop auf der nackten Brust des Mannes.
«Er ist in Panik geraden», berichtete sein Kollege, als er hinzutrat. Er rieb sich die Haare und das Gesicht mit einem Handtuch trocken. «Ein Anfängerfehler. Aber wenn man in dieser trüben Scheiße taucht, vergisst man …»
Rush unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Er bewegte das Stethoskop über die Brust des Verletzten und lauschte angestrengt. Seine Bewegungen waren abgehackt und heftig. Schließlich richtete er sich auf. «Luft-Paravasation», lautete seine Diagnose. «Resultierend in Pneumothorax.»
«Wir können ihn in die Krankenstation bringen, Herr Doktor», schlug die Schwester vor. «Dort ist …»
«Dazu haben wir keine Zeit!», schnappte Rush, während er sich ein paar Latexhandschuhe überstreifte. Der Mann auf der Trage zuckte, packte sich an die Kehle und gab gurgelnde Geräusche von sich.
Rush wandte sich an die Sanitäter. «Eine Nadelaspiration wird nicht ausreichen», sagte er. «Unsere einzige Option ist eine Thorakoskopie. Geben Sie mir die Thoraxdrainage, schnell!»
Logan beobachtete Rush mit einer Mischung aus Überraschung und Unbehagen. Bis zu diesem Moment war Ethan Rush der Inbegriff von Ruhe und Selbstsicherheit gewesen. Doch das hier – die schnellen, beinahe hektischen Bewegungen, die Ungeduld und die gebellten Befehle –, das war ein Rush, wie Logan ihn noch nicht kannte.
Während sich einer der Sanitäter zu seinem Notfallwagen umdrehte, wandte sich Rush wieder dem verletzten Taucher zu. Er betupfte die Fläche neben dem linken Arm großzügig mit Jod und einem Lokalanästhetikum, um sodann mit einer weiteren schnellen Bewegung des Skalpells einen fünf Zentimeter langen Einschnitt zwischen den Rippen vorzunehmen. «Beeilen Sie sich mit der Drainage!», rief er über die Schulter.
Der Sanitäter brachte den Schlauch und wickelte ihn aus seiner sterilen Umhüllung. Rush ging vor dem sich windenden Mann in die Knie und führte den Schlauch behutsam durch den Einschnitt in den Brustkorb des Verletzten. Er kontrollierte die Lage, grunzte und erhob sich.
«Drainage durchführen!», befahl er.
Ein weiterer Sanitäter kam herbei. Er schob einen Ständer auf Rädern vor sich her mit einem blau-weißen Plastikapparat, der in Logans Augen aussah wie ein überdimensionaler Blutdruckmonitor. Er verfügte über mehrere vertikale Anzeigen, und aus dem oberen Gehäuseteil führten zwei transparente Schläuche nach vorn.
«Absperrventil der Saugkontrolle?», bellte Rush.
«Ein.
«Wassersiegel auf zwei Millimeter füllen.»
«Jawohl, Herr Doktor.»
Während der Sanitäter Wasser über einen Trichter einfüllte, sah Logan, dass die Reservoirkammer blau wurde. In der Zwischenzeit befestigte Rush einen der Plastikschläuche an dem Stück Drainageschlauch, das in der Brust des Verletzten steckte. Logan musterte den Taucher genauer: Seine Bewegungen waren langsamer geworden und erratisch.
«Katheter eingeführt», sagte Rush. «Initiiere Absaugung. Druck auf minus zwanzig Zentimeter Wassersäule.» Er legte einen Schalter um und drehte an einem Regler auf dem Gehäuse der Apparatur. Augenblicklich begann die Flüssigkeit in der Kontrollkammer zu blubbern. Rush drehte den Regler weiter auf, und das Blubbern wurde stärker. Der transparente Schlauch aus dem Einschnitt in der Brust des Verletzten füllte sich mit Blut und Wasser.
«Wenn es uns gelingt, die Flüssigkeit schnell genug aus der Thoraxhöhle zu entfernen, blähen sich die Lungen vielleicht von alleine wieder», sagte Rush zu dem Sanitäter. «Wir haben keine Zeit für eine Operation.»
In dem großen Raum kehrte Stille ein; nur noch das Summen der Maschine und das
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