Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
dann an Quinn. »Keine Tricks. Wenn sie dich nicht erschießt, tue ich es.«
»Weil ich eine Verdächtige verhört habe?«
»Nein. Weil du schon wieder Rileys Vertrauen missbraucht hast.« Er packte Maisie und warf sie wie einen Sack über seine Schulter. »Na, dann los.«
Ich trat zur Seite und winkte Quinn an mir vorbei. Er hatte sein Vampirgesicht aufgesetzt, aber seine Wut brannte in der Luft. Doch ich spürte auch Überraschung.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich wirklich Schluss machte. Hatte nicht geglaubt, dass meine Worte ernst gemeint waren.
Jetzt musste ich nur noch die Kraft finden, wirklich zu gehen.
10
I ch stützte den Kopf auf die Hand und musste unwillkürlich heftig gähnen. »So kommen wir aber nicht sehr schnell weiter.«
Mit grimmiger Miene reichte Jack mir einen Becher Kaffee. »Niemand hat behauptet, dass es leicht wäre, den Widerstand einer Hexe zu brechen.«
Ich nippte an der heißen Flüssigkeit in meinem Becher. Als Kaffee konnte man das eigentlich nicht bezeichnen, weder sah es so aus, noch schmeckte es annähernd danach. Aber solange es mich wach hielt, würde ich dennoch eine Gallone von der Brühe trinken.
Ich musterte unsere Gefangene durch den Einwegspiegel. Maisie wurde momentan von zwei Spezialistinnen verhört, einer für Magie und einer für »Interview«-Techniken. Ich hatte die beiden in den letzten Monaten verschiedentlich bei der Arbeit beobachtet und wusste, dass sie mit ihren Methoden extrem erfolgreich waren. Anders als die normale Polizei musste die Abteilung keine Rücksicht auf die Rechte der Gefangenen nehmen. Wenn eine Person in irgendeiner Form oder Gestalt eine Bedrohung für die menschliche Bevölkerung darstellte, konnte die Abteilung im Grunde tun, was sie wollte, um Informationen aus ihr herauszubekommen. Außer natürlich die Person war ganz oder teilweise ein Mensch. Dann war es schwieriger.
Deshalb war man heute bislang recht behutsam vorgegangen. Maisie mochte zwar eine überaus mächtige Hexe sein, aber in einem menschlichen Körper. Laut Gesetz musste die Abteilung vorsichtig mit ihr umgehen.
Mein Blick glitt zu der spindeldürren Frau in der Ecke des Raumes. Ich hatte nicht gewusst, dass wir mehrere Leute beschäftigten, die auf Zauberei spezialisiert waren, und ich arbeitete immerhin seit acht Jahren hier. Momentan schien sie nach außen nicht viel zu tun, aber in den Falten auf ihrer Stirn glänzten Schweißperlen, und die weißen Steine um Maisie herum waren von einem Schimmer umgeben, wie eine Straße nach einem langen heißen Sommertag. Ich wusste nicht, ob unsere Beamtin das bewirkte oder ob Maisie ihre Abwehr testete.
»Wie lange kann Marg Maisie noch in den Steinen festhalten?«
Jack zuckte mit den Schultern. »Marg gibt uns ein Zeichen, wenn ihre Energie nachlässt. Im Allgemeinen kann sie vier oder fünf Stunden durchhalten, wenn sie ausschließlich die Kraft der Schutzsteine aufrechterhält.«
»Wieso dringen wir nicht einfach in ihre Gedanken ein?«
»Das habe ich vorhin versucht, als du mit Quinn gesprochen hast.«
Na, das hatte vielleicht viel gebracht. Quinn war noch nie besonders auskunftsfreudig gewesen, aber jetzt war er vollkommen zugeknöpft, und wenn ich wütend wurde, machte er sich auch noch über mich lustig. Momentan plauderte Rhoan ein bisschen mit unserem schweigsamen Vampir, aber ich bezweifelte, dass er mehr Erfolg hatte als ich. »Und?«
»Ihre Schutzschilde sind stärker als alles, was mir je untergekommen ist. Ich habe Direktorin Hunter gebeten, herunterzukommen und mir zu helfen.«
Das überraschte mich. Nachdem ich acht Jahre hier arbeitete, sollte ich endlich die geheimnisvolle Direktorin zu Gesicht bekommen? »Sie beeilt sich aber nicht gerade.«
»Sie hat sich entschlossen, erst Rhoan mit Quinn zu helfen.«
»Aha.« Nach dem merkwürdigen hierarchischen Ehrsystem der Vampire war Quinn moralisch verpflichtet, Direktorin Hunter ausnahmslos alle Fragen zu beantworten. Niemand wusste, ob er von Geburt an gerechnet jünger oder älter war als sie, aber in Vampirjahren war sie älter. »Das kann Stunden dauern.«
»Möglich. Quinn ist zwar jünger, aber ich glaube, er ist genauso mächtig.«
»Und das heißt?«
»Dass er zwar verpflichtet ist, ihr zu antworten, man ihn aber nicht dazu zwingen kann. Es kommt ganz darauf an, ob Quinn sich an die Regeln hält.«
Und Vampire hielten sich nur an die Regeln, wenn es ihnen passte. Ich trank einen Schluck von der braunen Brühe und blickte auf meine
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