Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
gefangen halten.
Jedenfalls war es einen Versuch wert. Reden und Drohen brachte uns jedenfalls nicht weiter.
Als die Tür aufging, drehte ich mich um. Ein Sicherheitsbeamter kam herein und reichte mir ein Messer. Als er ging, hielt ich es hoch.
Caelfind wirkte wieder mal belustigt. Soll ich mich von so einem dünnen Ding etwa bedroht fühlen?
Ich dachte abermals an die Leichen. Beschwor die Bilder der Frauen herauf, ihre aufgeschlitzte Haut, die herausgerissenen Organe, die man verschlungen hatte, während sie im Sterben lagen. Ekel stieg in mir hoch, begleitet von Wut. Aus diesen Gefühlen zog ich Kraft und benutzte sie als Schutzschilde, während ich die Messerspitze über Maisies linker Brust, direkt über ihrem Herzen, positionierte.
Sag mir, wie wir die Welt von deinem finsteren Meister befreien, oder ich sorge dafür, dass du für immer in einer Leiche gefangen bist.
Das kannst du nicht. Sobald dieser Körper stirbt, ist mein Geist frei.
Auch Unsterbliche können sich täuschen.
Ich stieß mit dem Messer zu und sah, wie es mit lächerlicher Leichtigkeit durch Kleidung, Muskeln und Knochen glitt. Sie riss die Augen auf, und die Leere in ihrem Kopf füllte sich mit Schmerz. Doch das berührte mich nicht. Entweder wurde es durch meine Wut verhindert oder durch Jacks eiserne Kontrolle.
Ich stieß tiefer zu, rammte das Messer in ihr Brustbein und tief in ihr Herz. Blut lief über meine Finger, warmes Blut, dessen süßer Geruch mir in die Nase stieg und meinen Puls beschleunigte.
Nein, nein, nein, ein Teil von mir wollte schreien, aber ich unterdrückte vehement den Impuls, konzentrierte mich auf Caelfind, beobachtete ihre Augen und wartete auf den Moment, in dem der Körper tot war und sie merkte, dass sie nie mehr frei kam.
Das Messer begann sich aufzulösen, aus der Wunde stieg Rauch auf. Der Silberdraht saß tief in ihrem Körper und band ihren Geist genauso, wie er Talons festgehalten hatte.
Nur dass sie nicht so schrie, wie er geschrien hatte. Sie lächelte bloß und wartete, ihre Gedanken waren voll Schmerz und dennoch amüsiert.
Bis ihr Herz schließlich aufgab und ihr Körper auf dem Boden zusammensackte.
Dann schrie sie. Sie schrie wie eine Todesfee, bis ihre Wut meinen Geist erfüllte und ich kaum noch denken konnte.
Sag mir, wie wir diese Welt von deinem Meister befreien können.
Meine Worte waren kaum mehr als ein leises Knurren inmitten eines Wirbelsturms, dennoch hörte sie mich.
Er kann nur von einem Priester verbannt werden. Einem Priester der Aedh.
Und dein Bruder ist einer?
Der letzte.
Nun, nicht ganz. Aber vielleicht der letzte, der noch in körperlicher Form existierte. Und die Drachen?
Enthaupte sie.
Können sie sich nicht einfach einen anderen Körper nehmen, so wie du?
Sie zögerte und wand sich vor Wut. Nein. Nicht ohne meine Hilfe. Lass mich jetzt los. Du hast es versprochen.
Ich lachte rau und hasserfüllt und wich zurück. Du hast all die Jahre einem Gott der Finsternis gedient und glaubst immer noch an Versprechen?
Ihre Wut verfolgte mich, schnappte wie ein Hund im Geist nach meinen Fersen, bis Jack mit seiner Kraft einschritt und sie aufhielt. Ich floh aus ihrem Geist, hatte das Gefühl, aus großer Höhe zu fallen, und fand mich zitternd, bebend und in Schweiß gebadet auf dem Fußboden kniend wieder.
Dann spürte ich das warme klebrige Gefühl von Blut an meiner Hand und nahm wieder den Geruch von Eisen wahr. Mein Magen krampfte sich zusammen.
Ich rappelte mich auf alle viere hoch, krabbelte hinüber zu einem Papierkorb und würgte alles hervor, was ich heute gegessen und getrunken hatte.
Als ich nichts mehr im Magen hatte, ließ ich mich mit dem Rücken an die Wand sinken und rang nach Luft. Ich fühlte mich, als hätte ich zehn Übungsrunden gegen Gautier geboxt, alles tat mir weh, und mein Kopf pochte. Das Einzige, was ich nicht hatte, waren blaue Flecken.
Es dauerte gut fünf Minuten, bevor ich überhaupt die Kraft fand, meine Augen zu öffnen. Jack lehnte an der anderen Wand, hatte die Hände auf die Knie gestützt und rang ebenfalls nach Luft, die Haut auf seinen Armen war blasser als je zuvor, und seine Finger bestanden nur aus Haut und Knochen. Es zeigte, wie viel Kraft es ihn gekostet hatte, Caelfind zu kontrollieren.
Mein Blick fiel auf den Kreis aus Steinen. Maisies Leiche lag zusammengesunken in der Mitte. Blut glänzte dunkel auf ihrer Bluse, und bei dem intensiven Geruch krampfte sich mein Magen erneut zusammen. Vielleicht war es gar nicht
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