Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
der Geruch von Blut. Vielleicht war es eher die Erkenntnis, wie leicht, wie überaus leicht ich ihr Blut vergossen und ihr Leben beendet hatte.
Ich mochte mir einreden, dass ich nie der Killer werden würde, zu dem Jack mich machen wollte, aber in Wahrheit war ich durchaus dazu in der Lage.
Ich konnte töten, wenn ich musste, und zwar mit Leichtigkeit. Wenn ich wollte. Wenn es nötig war.
Galle brannte in meinem Hals. Ich legte meine Hand auf den Mund, schluckte heftig und zwang mich daran zu denken, wie viele Leben Maisie und ihre Genossen zerstört hatten.
Denn obwohl es schrecklich war, was ich heute hier getan hatte, und ich wahrscheinlich wochen- und monatelang unter Albträumen leiden würde, fand ein Teil von mir, dass es sich gelohnt hatte, solange dadurch nur ein Leben gerettet wurde.
Was den Teil anging, dem es leidtat … nun, der bewies zumindest, dass es noch Hoffnung für mich gab. Der heutige Tag hatte bewiesen, dass der Killer, zu dem Jack mich machen wollte, bereits in mir steckte, aber ich noch lange nicht so weit war, diesen Teil meiner Seele zu akzeptieren und mich mit ihm anzufreunden.
Dafür sollte ich dankbar sein und mich so gut ich konnte daran festhalten. Denn es war meine einzige Hoffnung.
Heftig stöhnend stand Jack auf. Sein Gesicht war eingefallen. Der Mann brauchte dringend etwas zu essen.
Der gefährliche Hunger glänzte in seinen Augen.
»Beherrsche dich, Chef«, sagte ich leise, vorsichtig.
»Wenn ich das nicht täte, würdest du nicht hier sitzen und dumme Bemerkungen machen, sondern hättest längst als Mittagessen hergehalten.«
Ich grinste. »Schön, dass du den Humor nicht verlierst, wenn dich die Blutlust überkommt.«
»Nicht mehr lange, wenn du weiter so dumm herumquatschst. Beweg deinen Hintern nach Hause und ruh dich aus, Riley. Ich kümmere mich um alles.«
Mein Blick glitt zu der Leiche auf dem Boden, zu der dunklen Blutlache, die daneben zu trocknen begann.
Ich wusste, dass das Blut nicht in den Müll wandern würde.
Ich schüttelte mich und machte, dass ich dort wegkam.
Vier Stunden Schlaf reichten bei Weitem nicht, und der Wecker konnte sich glücklich schätzen, dass er nicht quer durch das Zimmer flog, als er um sechs Uhr klingelte. Meine Gereiztheit, die von meinem Schlafdefizit herrührte, verstärkte sich noch erheblich, als ich bemerkte, dass ich nicht allein in meinem Schlafzimmer war.
Der warme Geruch von Sandelholz verriet mir, um wen es sich handelte.
Ich rollte mich auf die Seite. Quinn saß umgeben von einem Lichtkranz der untergehenden Sonne am Fenster. Es war die Silhouette eines perfekten männlichen Körpers. Mutter Natur in perverser Bestform. Denn während der Körper wundervoll war, ließ der Charakter des Mannes einiges zu wünschen übrig.
Ich nahm an, dass er das Gleiche von mir behauptete. Und vermutlich hatte er damit sogar recht.
»Was tust du hier?«
»Ich wollte mich bei dir bedanken«, sagte er mit seiner leisen, ach so erotischen Stimme.
»Für was?« Ich schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Quinns Blick floss wie flüssige Lust über meine Haut, und meine Hormone reagierten entsprechend.
»Dafür, dass du geschafft hast, wozu ich nicht in der Lage war. Dass du Caelfind gefasst und unschädlich gemacht hast.«
Ich hob ein T-Shirt vom Boden auf, roch daran, ob es noch frisch war, und zog es an. »Es hätte uns allen Zeit und Mühe gespart, wenn du von Anfang an offen mit uns geredet hättest.«
»Du verstehst das nicht…««
»Nein. Das stimmt«, erwiderte ich, während ich hinausstampfte, um mir einen Kaffee zu machen. Der half zwar nicht gegen meine Erregung, die zum Teil Quinns Anwesenheit und zum Teil meiner Natur geschuldet war, aber meiner schlechten Laune konnte ein Kaffee nicht schaden. »In der Nacht, als der Priester aufgetaucht ist, gab es keinen Grund, mir nichts zu erzählen. Abgesehen von deinem zweifelhaften Bedürfnis, alles allein regeln zu wollen.«
»Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen«, murmelte er.
Ich strafte ihn mit einem wütenden Blick. Er war nicht mehr von Sonnenlicht umgeben, wirkte aber dennoch wie ein Schatten, denn er war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet.
Selbst seine dunklen Augen lagen im Schatten. Er wirkte vorsichtig. Wachsam.
Irgendeine perverse Seite tief in mir freute sich darüber. Eine andere Seite stand unter dem Einfluss des bevorstehenden Vollmonds und hätte ihn am liebsten besinnungslos gevögelt.
Denn dem Wolf in mir war
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