Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
Schweiß lief meine Stirn hinunter und weiter über meine Wangen und mischte sich mit dem Blut, das nach wie vor von meinem Kinn tropfte. Ein Teil davon stammte jetzt aus meinem Mund, denn ich biss mir unverändert auf die Zunge und beherrschte mich, um nicht um das zu betteln und zu flehen, wonach mein Körper so verzweifelt verlangte.
Als ich gerade dachte, ich könnte es nicht mehr aushalten, nickte Kingsley, und Jin drang in mich ein. An seiner Art, heftig zuzustoßen, sich zurückzuziehen und erneut fest zuzustoßen, war nichts Zärtliches, nichts Sanftes, aber das war mir egal.
Außerdem fühlte ich eigentlich nicht Jin, sondern Kingsley. Er war überall, um mich herum und in mir, füllte mich mit seiner dunklen Energie und seinem Verlangen. Er berührte mich, streichelte mich, eroberte mich, nicht körperlich, sondern geistig, und das war in mehrfacher Hinsicht deutlich intensiver als jede normale Berührung. Mein Körper, meine Sinne reagierten bereitwillig, gierig. Auf einmal konnte er mit mir machen, was er wollte, und ich konnte mich nicht dagegen wehren.
Um ehrlich zu sein, wollte ich mich überhaupt nicht wehren. Ich verlor mich in der Leidenschaft und Intensität des Augenblicks und ertrank willenlos darin. Mein Herz hämmerte wie wild, mein Körper schrie nach Erlösung, und jeder Muskel, jede Faser war bis zum Bersten gespannt.
Dann nahm Kingsley den kleinen Finger meiner linken Hand in den Mund und begann daran zu lecken und zu saugen. Das Gefühl gab mir den Rest. Ich kam heftig und schnell zu einem überwältigenden Höhepunkt. Genau in dem Augenblick grub Kingsley seine Zähne tief in mein Fleisch. Schmerz durchströmte mich und umhüllte mich, stieß in meinem Kopf und in meiner Seele auf Kingsleys Energie und verband sie mit ihr zu so etwas unglaublich Wunderbarem, dass ich ein zweites Mal kam.
Erst als ich wieder atmen konnte, bemerkte ich, dass Jin weiterhin tief in mich eindrang, kurz und heftig atmete und bald zum Höhepunkt kommen würde. Erst jetzt bemerkte ich Kingsley, der weiterhin an meinem Finger sog.
Ich hatte kein Gefühl in meinem kleinen Finger, spürte nur ein Pochen, einen seltsamen Schmerz. Und ich blutete stark. So stark, dass selbst Kingsley mit seinem Lecken und Saugen nicht verhindern konnte, dass das Blut meine Hand und mein Handgelenk hinunterlief.
Dann sah ich, warum.
Mein Finger endete am ersten Gelenk.
Genau wie bei den Frauen, die aufgeschlitzt und ausgenommen auf dem Boden der Lagerhäuser ihr Ende gefunden hatten.
Das hatte mir meine Vorahnung versucht zu sagen. Das hatte sie vorausgesehen, davor hatte sie sich gefürchtet.
Jetzt wusste ich es, jetzt, wo alles zu spät war.
Ich schrie. Keine Ahnung, ob innerlich oder laut. Ich schrie einfach.
Und dann wurde ich von der Dunkelheit überwältigt und verlor das Bewusstsein.
12
L angsam kam ich wieder zu mir. Mein Kopf pochte vor Schmerz. Vor meinen geschlossenen Augen tanzten bunte Punkte wild durcheinander, und mein Magen krampfte sich im passenden Rhythmus zusammen. Ich konnte nicht im Entferntesten den Schmerz beschreiben, der von meiner linken Hand ausstrahlte.
Es war besser, ihn zu ignorieren. So zu tun, als wäre er nicht da, selbst wenn er so stark war, dass er mir den Schweiß auf die Stirn trieb.
Aber vielleicht kam das auch von der Hitze. Es war heiß hier drin, wo auch immer »hier« war. Meine Haut brannte, und das nicht nur von den Wunden. Die Luft war schwül-feucht und roch intensiv nach Moschus und alter Erde. Dazwischen nahm ich die Gerüche von Blut und Tod, von Sorge und Schmerz wahr, einige waren alt, andere frisch, alle intensiv.
Der Ort schien sich unter der Erde zu befinden und bereits einen Haufen Tote gesehen zu haben.
Ebenso der Tisch, auf dem ich lag. Elend und Tod schienen sich förmlich in den Stein hineingefressen zu haben, und das gruselige Gefühl, das von ihm ausging, bohrte sich schmerzhaft in mein Rückgrat und mein Hinterteil. Ich widerstand dem Drang, mich zu bewegen, und konzentrierte mich auf das, was in dem Raum vor sich ging.
Irgendwo links von mir knisterte ein Feuer. Ich nahm keinen Rauch wahr und spürte nicht den geringsten Luftzug. Es schien sich nicht um ein normales Kaminfeuer zu handeln. Da ich mir denken konnte, wer das Feuer entzündet hatte, war es ganz bestimmt magischen Ursprungs. Caelfind war vermutlich nicht die einzige praktizierende Hexe gewesen. Ein Gott der Finsternis kannte sich garantiert auch ein bisschen mit schwarzer Magie aus.
Neben
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