Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
auf die Türen zuging, glitten sie automatisch auseinander, und in der Sekunde sah ich die Sensoren in den Türrahmen. Sie meinten es wirklich ernst, dass sie in diesem Club ausschließlich Menschen haben wollten.
Wenn ich dort hindurchging, würde sich herausstellen, dass ich etwas anderes als ein Mensch war.
Ich fluchte leise vor mich hin und schielte zu der Blondine am Empfangstresen. Sie war eine von diesen sexy sportlichen Typen, die jede normale Frau nervös machten. Aber wichtiger war, dass sie anscheinend nicht bemerkt hatte, dass ich kurz vor der Türschwelle stehen geblieben war. Sie trug keinen Nanodraht, es sei denn, man versteckte die jetzt in Designerohrringen, und in dem Raum schien sich keine andere Abwehrtechnik gegen psychisches Eindringen zu befinden. Die konnte mich allerdings sowieso nicht mehr aufhalten.
Ich stieß die Luft aus, fuhr einige Schutzschilde herunter, drang in ihren Verstand ein und übernahm augenblicklich die Kontrolle. Ich konnte Menschen zwar nicht fühlen, aber ich konnte sie sehr gut kontrollieren. Ich brachte sie dazu, den Alarm auszuschalten, so dass ich für die paar Stunden, die ich dort war, in dem Club sicher war. Und nur für den Fall, dass es jemand höher Gestelltem auffiel, ließ ich sie den Stecker aus der Wand ziehen. Das war das Problem mit Sensoren, die erst nach Errichtung des Gebäudes angebracht worden waren. Sie konnten leicht durch eine unvorsichtige Bewegung ausgeschaltet werden. Deshalb waren viele von ihnen jetzt direkt an das Stromnetz angeschlossen.
Ich zog mich aus ihrem Kopf zurück, trat durch die Tür und ging auf den Schreibtisch zu. Um zu hören, was sie dachte und sicherzugehen, dass sie nicht doch etwas davon mitbekommen hatte, was eben geschehen war, blieb ich jedoch noch mit ihr in Kontakt.
Sie blinzelte wie jemand, der soeben aus einem Traum erwachte, und schenkte mir ein strahlendes Lächeln.
»Ach, hallo«, sagte sie in einem herzlichen Tonfall, der genauso falsch war wie ihre Bräune. »Wir sind wohl neu hier im Club, was?«
»Das sind wir.« Ich zeigte ihr meinen Ausweis. »Ich bin ein Gast von Jin Lu.«
Etwas flackerte in ihren Augen, eine Emotion, die ich so schnell nicht deuten konnte, aber das Lächeln blieb. Ihre Gedanken verrieten jedoch, was ihre Augen nur angedeutet hatten: Sie hatte keine hohe Meinung von Jin. Sie hielt ihn für ein arrogantes Schwein, der beim Sex viel zu brutal war. Sie hatte sogar ihren Freund belügen müssen, weil die blauen Flecken ewig gebraucht hatten, um zu verschwinden.
Offensichtlich hielt sie nicht viel von Monogamie in einer Beziehung. Ich unterdrückte ein Lächeln, nahm den Stift, den sie mir reichte, und unterschrieb ein zweites Mal.
»Ich sage ihm eben Bescheid«, erklärte sie und reichte mir einen Spindschlüssel. »Wenn Sie auf dem Sofa warten wollen.«
Ich blickte zu dem Sofa, dann auf die Glasscheibe dahinter und stellte fest, dass man von dort aus den gesamten Fitnessbereich überblicken konnte. Es trainierten jede Menge Männer an den Geräten. Ihre schweißnasse Haut glänzte, und ihre Muskeln traten deutlich hervor. Eine sehr ansprechende Aussicht. Ich ging zu dem Sofa und machte das Beste daraus.
Jin wurde über Lautsprecher ausgerufen, und fünf Minuten später kribbelte meine Haut. Obwohl ich, vermutlich wegen der dicken Teppiche, keine Schritte hörte, wusste ich, dass es Jin war. Seine Hitze und sein Geruch weckten meine wilde Seite schon von ferne.
Ich spähte über meine Schulter hinter mich. Er schritt in schwarzer Fitnesshose und schwarzem ärmellosem Top auf mich zu. Der Schweiß verlieh seiner Haut einen glänzenden Schimmer, und er wirkte geradezu verboten attraktiv. In mir regte sich Lust, aber als ich in seine Augen sah, verschwand sie genauso schnell, wie sie gekommen war. In seinem Blick lag eine Bösartigkeit, wie ich sie noch nie zuvor gesehen hatte. Eine Bösartigkeit, die sehr alt und nicht menschlich wirkte. Als ob ich in dem kurzen Moment in seine Seele geblickt hätte und diese nicht in diese Zeit gehörte.
Nicht auf diese Erde.
Dann blinzelte er und lächelte, und der seltsame Ausdruck war verschwunden. Ich fragte mich, ob mich das Gespräch mit der toten Frau vielleicht mehr mitgenommen hatte, als ich dachte. Ich meine, Jin war vielleicht kein Mensch an sich, aber er musste zumindest eine Unterart oder irgendeine Art Nichtmensch sein. Oder etwa nicht? Was gab es denn noch?
Eine Bemerkung, die Quinn vor ein paar Monaten gemacht hatte, waberte durch
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