Hüterin der Nacht: Roman (German Edition)
nicht sehe konnte. Ich hob die Schnauze, sog den Geruch ein und versuchte zu ermitteln, aus welcher Richtung er kam. Von irgendwo hoch über mir. Nicht von den Dächern, aber vom Himmel.
Mein Blick glitt zu den Sternen am Nachthimmel, aber da war abgesehen von aufkommenden Wolken und dem hell leuchtenden Mond nichts zu sehen.
Was zum Teufel ging hier vor? Vampire konnten nicht fliegen … es sei denn, sie waren in ihrem Vorvampirleben Vogelwandler gewesen. Was immer Quinn gewesen war, er war kein Gestaltwandler. Da war ich sicher.
Dann fiel mir wieder etwas ein, das er vor ein paar Monaten gesagt hatte. Ich hatte ihn gefragt, wie er in Starrs Lager eingedrungen war, ohne dass Rhoan oder jemand anders ihn gesehen hatte, und er hatte erklärt: Ich habe mich als etwas materialisiert, das ein menschliches Gehirn nicht wahrnehmen kann.
Schade, dass er vergessen hatte zu erwähnen, dass ihn diese Eigenschaft zudem befähigte zu fliegen .
Mein Blick glitt zurück zu Maisie. Sie hatte die Haustür erreicht und wühlte in ihrer Tasche. Offensichtlich bewahrte sie ihren Haustürschlüssel nicht zusammen mit ihrem Autoschlüssel auf. Für eine so mächtige Hexe war sie ein bisschen ungeschickt.
Auf einmal wurde Quinns Geruch intensiver, und ich spürte einen Luftzug, konnte aber immer noch nichts sehen.
Im letzten Augenblick schien Maisie dasselbe zu spüren, denn sie fuhr herum und keuchte. Aus der dünnen Luft bildete sich eine Hand und schlug kurz und heftig zu. Maisie fiel wie ein Stein auf die Stufen.
Quinns Gestalt schien sich aus der Nacht zu lösen, schwebte die Stufen hinunter und landete leichtfüßig direkt neben Maisie. Er musterte sie kurz, dann sah er sich um, sein Blick glitt über mein Versteck hinweg, ohne dass er irgendetwas zu bemerken schien. Dann beugte er sich vor, hob Maisie hoch und ging die Stufen hinunter zu seinem Wagen. Er legte sie auf den Beifahrersitz, stieg selbst auf der Fahrerseite ein, startete den Motor und fuhr los. Ich sah zu, wie der Wagen verschwand, kroch aus meinem Versteck und wandelte die Gestalt. Der Zwang und die Mondhitze kehrten augenblicklich zurück, nur dass Letztere jetzt deutlich stärker war als der Zwang.
Vielleicht hatte der mehrfache Gestaltwandel die Kraft von Quinns Befehl geschwächt. Was gut war, denn ich musste dringend einen Club aufsuchen und etwas tun, um meine Lust zu stillen.
Während meine Schritte durch die stille Nacht hallten, betätigte ich die Verbindung in meinem Ohr und sagte: »Hallo, hallo, ist da jemand?«
»Im Gegensatz zu einigen ehemaligen Assistenten, die ich hier nicht namentlich erwähnen will, bin ich immer erreichbar.«
Ah, wie schön. Die Karamellkuh. »Dir auch einen guten Abend, Sal.«
»Was willst du, Riley?«
Ich würde sie nie dazu bringen, mir etwas Nettes zu sagen. Aber ich schätze, ich war selbst nicht gerade verschwenderisch mit Nettigkeiten, obwohl ich kaum in der Position war, herumzuzicken.
Was mich allerdings noch nie davon abgehalten hatte.
»Ist Jack in der Nähe?«
»Einen Moment, bitte.«
Ich hörte das Klackern ihrer Absätze, was hieß, dass Jack nicht an seinem Schreibtisch war. »Riley?«, sagte er nach einem Augenblick. »Hast du dich um unsere Hexe gekümmert?«
»Nicht ganz.«
»Was ist passiert?«
»Quinn ist passiert.« Als ich nur seinen Namen erwähnte, kochte der kaum verrauchte Ärger wieder in mir hoch.
Jack seufzte. »Was hat er diesmal angestellt?«
»Er hat einfach unsere kleine Hexe entführt.«
»Was? «
»Ja. Wir haben das Pentagramm, durch das sie die Dämonen ruft, unbrauchbar gemacht. Er meinte, das wäre besser, als es zu zerstören, weil es mehr Energie kostet, ein neues zu bilden.«
»Bei finsteren Zaubersprüchen braucht man meist das Blut des Magiers, um Dämonen herbeizurufen. Es unbrauchbar zu machen, hält sie nicht davon ab, es zu benutzen; es verhindert lediglich, dass sie bestimmte Arten von Wesen rufen kann.«
»Heißt das, ich hätte es zerstören sollen?« Dass Quinn mich wieder einmal belogen hatte?
»Sie hätte die Zerstörung gespürt. Vielleicht wäre sie zusammen mit den anderen in den Keller gekommen.« Er hielt inne, und das Geräusch von Flüssigkeit, die gurgelnd in eine Tasse floss, schwappte durch die Leitung. Er befand sich entweder in dem Büro der Tagschicht oder in der Halle, wo die andere Kaffeemaschine stand. »Was ist danach passiert? Wie ist es dazu gekommen, dass Quinn die Hexe entführt hat, und wieso warst du nicht bei ihm?«
»Weil
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