Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
der Mann in Sea Haven zu suchen? War er mit Ilja befreundet gewesen? Heute Abend würde er nicht mit Judith reden können, denn der Sheriff hatte vor, sich zu ihrem Haus zu begeben und sie zu befragen.
Was würde sie ihm über ihre Beziehung zu Thomas Vincent erzählen? Ganz gleich, unter welchem Gesichtspunkt er es betrachtete – sie würde ihn nicht noch einmal mit offenen Armen willkommen heißen. Er würde sich zurückschleichen und ein oder zwei Hintertürchen finden müssen, um sie dazu zu bringen, dass sie ihm überhaupt zuhörte.
13.
J ean-Claude La Roux.
Judith stand an der Tür und sah Jonas nach, der zu seinem Streifenwagen zurückging. Ihr ganzer Körper war taub und jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen. Für lange Zeit versagte ihr Verstand ihr den Dienst. Sie starrte einfach nur in die Nacht hinaus, schockiert, von Schuldgefühlen geplagt und furchtsam. Sie hatte alle, die sie liebte, in Gefahr gebracht. Jean-Claude war zu allem fähig.
Sie hatte sich nie wirklich von ihm befreit, nicht wenn er sie jede Nacht heimsuchte, in ihren Träumen herumspukte und diese zu Alpträumen machte. Sie würde sich niemals wirklich von ihm befreien können, aber das Wissen, dass er sie ständig überwachen ließ … seit fünf Jahren jemanden dafür bezahlte, ihm Fotos von ihr zu schicken, war wirklich beängstigend.
Und Thomas. Was war mit Thomas? Sie war verrückt nach ihm. Aber es war alles zu schnell gegangen. Die Flamme brannte zu heiß. Natürlich war das alles nicht echt. Und wenn es echt war, wenn es tatsächlich eine gute Erklärung für alles gab, dann durfte sie ihn dieser Gefahr nicht aussetzen. Sie würde ihn dieser Gefahr nicht aussetzen.
Sie durfte auch ihre Schwestern nicht in Gefahr bringen. Jean-Claude hatte nicht nur die Folterung und die Ermordung ihres Bruders angeordnet, sondern auch die anderer Männer, und er war zweifellos dazu fähig, ihr auf dem Umweg über ihre Schwestern einen Schlag zu versetzen. Was hatte er vor? Was wollte er? Sie würde fortgehen müssen. Was blieb ihr denn anderes übrig? Ihr Verstand weigerte sich, Fragen zu beantworten; er ließ einfach nur alle Fäden zusammenlaufen, bis sie überhaupt nichts mehr begriff.
Ein Schluchzen stieg in ihr auf und sie presste sich eine Hand auf den Mund, um nicht zu weinen.
»Judith?«
Blythes Stimme raubte ihr erfolgreich jeden Rest an Selbstbeherrschung, den sie vielleicht noch gehabt hätte. Judith warf sich bereits in Blythes Arme, ehe ihre Schwester wirklich die oberste Treppenstufe erreicht hatte. Blythe fing sie auf, gab ihnen beiden Halt und drückte sie an sich, während sie schluchzte. Judith hatte keine Ahnung, wie lange sie weinte, aber als sie aufblickte, war sie von ihren Schwestern umgeben – von ihnen allen. Ihr ging das Herz auf und gleich darauf weinte sie wieder.
Blythe strich ihr über das lange Haar und murmelte beschwichtigende Laute. »Wir werden damit fertig, meine Süße. Ganz bestimmt. Wir alle miteinander.«
»Woher habt ihr es gewusst?« Judith schaffte es, sich lange genug zusammenzureißen, um ihren Kopf zu heben und sie alle anzusehen. In ihren Augen standen immer noch Tränen.
»Rikki hat uns verständigt. Levi hat ihr von den Fotos und von Jean-Claude erzählt. Da war es doch klar, dass wir kommen«, sagte Blythe. »Airiana wird Tee für uns kochen und Lexi hat ein paar Dinge für einen spätnächtlichen Snack mitgebracht. Wir werden Energie brauchen, um eine Lösung zu finden.«
Blythe klang wie, nun ja – wie Blythe eben. Sie war praktisch veranlagt, die Mutter von ihnen allen, die große Schwester, der Boss, ohne sie herumzukommandieren. Blythe schaffte es schon allein durch ihre ruhige Anwesenheit immer, dass alle sich besser fühlten. Aber vielleicht lag es auch an ihren Berührungen. Judith war es schon etwas leichter ums Herz und ihre Tränen versiegten zwar nicht, flossen aber langsam genug, um ihr einen Anschein von Selbstbeherrschung zu erlauben.
Judith sah den Kreis von Frauen an, von dem sie umgeben war. Das waren die Menschen, auf die sie zählen konnte, die immer – aber auch wirklich immer – zu ihr standen. Sie waren keine Schwestern im biologischen Sinne, doch ihr Herz hatte sie gewählt und sie standen ihr genauso nah wie Blutsverwandte. Diese Frauen hatten ihr das Leben gerettet und waren ihr eine Stütze gewesen, als sie ganz unten gewesen war und keinen Ausweg mehr gesehen hatte. Sie hatten ihr den Glauben an sich selbst zurückgegeben und jetzt standen sie
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