Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
Zeit, bis du gelernt hast, dein Element zu beherrschen. Du hast schon mehr als die Hälfte des Weges dahin bewältigt. Du hast die dunklere Seite unterdrückt, aber du weißt, dass du das auf Dauer nicht aufrechterhalten kannst. Zum einen fehlt diese Seite in deinen Gemälden und du brauchst sie. Jeder braucht einen Ausgleich. Wenn du erst einmal gelernt hast, dein Element zu beherrschen, warum solltest du dann noch Rettung brauchen, Judith? Ich bin um meinetwillen hier. Um dich anzuflehen, dass du mich so siehst, wie ich bin. Ich halte meine Seele in meinen Händen und bitte dich, mich zu retten.«
Judith fühlte, wie sich ihr Herz zusammenschnürte. Konnte dieser Gesichtsausdruck unecht sein? Nach Jean-Claude war sie so lange Zeit kaputt gewesen. Innerlich zerbrochen. Ihre Schwestern hatten die Teile wieder zusammengeklebt, doch die Sprünge waren noch zu sehen. Dieser Mann stand vor ihr und entblößte ihr seine Seele, gab seine Sünden preis und vertraute ihr sein Leben an. Was auch immer er war und was auch immer er in seinem Leben getan hatte – er hatte Gutes in sich.
Andererseits war er in ihr Haus eingebrochen, in ihr verschlossenes Studio, und hatte ihr nachspioniert. War das nicht die Mentalität eines Stalkers? Er hatte keine Spur von Reue an den Tag gelegt und sie glaubte auch nicht, dass er Reue verspürte. Sie atmete aus, ein langsames sehnsüchtiges Zischen.
Sie konnte nichts dafür. Er hatte nie jemanden gehabt. Die flüchtigen Blicke, die sie auf sein Leben erhascht hatte, die Kleinigkeiten, die er ihr erzählt hatte, waren herzerweichend. Jemand musste diesen Mann lieben. Sie machte sich nicht vor, es würde einfach sein. Sie würde sich keineswegs auf ein Märchen einlassen. Er war ein dominanter Mann. Levi hatte dieselben Charakterzüge, aber für Rikki war es unerlässlich, dass ihre Welt so und nicht anders war. Levi kapierte das und liebte sie genug, um sich ihren Bedürfnissen zu fügen, und er war immer, wirklich immer, sanft, wenn er sie dazu drängte, ihre Grenzen weiter zu stecken.
Stefan – Thomas – würde nicht dieselben Beweggründe haben. Er würde Befehle erteilen und die Fragen hinterher stellen. War sie stark genug, um mit dieser Form von Druck zu leben? Mit einem Mann, der immer um Dominanz ringen würde? Einem Mann, dem verschlossene Türen nicht im Weg standen? Er würde immer eine Kraft in ihrem Leben sein, die Druck auf sie ausübte. Er würde aber auch ein starker Anker sein.
Sein Flehen appellierte an ihr Mitgefühl. Sie feuchtete ihre Lippen an. »Wie kann es keine Frau in deinem Leben gegeben haben, Thomas? Du bist ein sehr sinnlicher Mann.«
Er zog ihre Hand auf seinen Brustkorb und öffnete ihre Finger so, dass ihre Handfläche auf sein Herz passte. »Ich habe nicht gesagt, es hätte keine Frauen gegeben. Ich arbeite für einen Mann namens Sorbacov. Er ist ein sehr gefährlicher Mann, der in unserer Regierung immer hinter den Kulissen tätig ist, aber sein Einfluss und seine Macht sind enorm. Es gibt natürlich diverse Ebenen zwischen Sorbacov und Männern wie mir, aber wenn er mir den Auftrag gegeben hat, eine Frau zu verführen, dann habe ich es jedes Mal getan.«
Sie hörte den Abscheu aus seiner Stimme heraus und das half dabei, die Stiche zu lindern, die sie in ihrem Herzen spürte.
»Ich bin dazu ausgebildet worden, im Bedarfsfall einsatzbereit zu sein und den Akt in die Länge zu ziehen, um eine Frau durch sexuelle Leistungsfähigkeit an mich zu binden.«
Er wählte seine Worte offensichtlich mit größter Sorgfalt und war ihr gegenüber qualvoll ehrlich, obwohl es ihm eindeutig lieber gewesen wäre, nicht über dieses Thema zu sprechen.
»Männer wie ich haben keine Beziehungen, Judith. Wir bringen die Information, die wir brauchen, an uns, wir benutzten die Frau, damit sie uns hilft, und dann sind wir verschwunden.« Er zögerte und seine Finger schlossen sich um ihre Hand. »Wenn die Frau Agentin für eine andere Regierung ist, geht es manchmal darum, wer den anderen zuerst tötet.«
»Das ist ja furchtbar.«
Er zuckte die Achseln. »Es ist das einzige Leben, das ich jemals gekannt habe, und daher ist es für mich normal. Frauen wie du sind kein Bestandteil des Lebens, das ich führe.«
»Und Levi hat das Gleiche getan?«
»Wir wurden in verschiedenen militärischen Trainingslagern ausgebildet und ich bin nicht sicher, für welche Form von Arbeit er eingesetzt wurde. Was ich weiß, ist, dass er, ebenso wie ich, als austauschbar angesehen wird,
Weitere Kostenlose Bücher