Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
meinen Bruder zu warnen, aber ich habe zu der Zeit auch für meine Regierung gearbeitet. Ich hatte noch einen anderen Auftrag.«
Sie drehte sich langsam zu ihm um, mitten in ihrem Wohnzimmer, von der heiteren Schönheit umgeben, die er mittlerweile mit Judith assoziierte. Mit größter Behutsamkeit legte sie die Leinwände auf dem niedrigen, schwarz lackierten Tisch ab. »Das verstehe ich nicht. Du hast gesagt, du seist nach Sea Haven gekommen, um Levi zu warnen, dass Petr Ivanov immer noch Jagd auf ihn macht.«
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, rieb sich den Nasensteg und nickte. »Und das war die Wahrheit, aber nicht die volle Wahrheit.« Er schaltete die Alarmanlage ein, aber das diente vor allem dazu, ihm selbst eine Atempause zu gönnen.
»Sag es einfach, Thomas.«
»Vor etwas mehr als fünf Jahren wurde ein sehr wichtiger Mann, ein Wissenschaftler, der an einem neuen Abwehrsystem für unsere Regierung arbeitete, angegriffen. Seine Frau war kompromittiert worden und sie hat dabei mitgeholfen, indem sie dem Mann, der hinter dem Diebstahl steckte, extrem heikle Informationen gegeben hat. Gavril, einer meiner Brüder, war einer der Leibwächter des Wissenschaftlers. Gavril ist ungefähr achtzehn Monate älter als ich und wir standen einander sehr nahe. Er wurde ernsthaft verletzt. In unserem Metier ist das ein Todesurteil. Wir werden nicht mit hübschen Summen in den Ruhestand geschickt. Männer wie Gavril und ich leben ohne echte Identität. Sorbacov, der Mann, der auf die Idee kam, die Kinder in seinem Land in Trainingslager zu stecken und sie auszubilden …«
»Der brutale Gewalt eingesetzt hat, um sie zu Killern und Spionen zu machen«, verbesserte ihn Judith.
Er nickte. »Er hat zu viel zu verlieren, wenn einer von uns den Mund aufmacht. Wir sind Schemen und er kann es sich nicht leisten, dass einer von uns ans Licht kommt. Sowie ich wusste, dass Gavrils Wunden ernst waren, habe ich mich auf den Weg zu ihm gemacht und ihm dabei geholfen, aus dem Krankenhaus zu entkommen. Ich habe ihn zu einem Arzt gebracht, von dem ich wusste, dass er bei ihm sicher ist. Danach ist er verschwunden, obwohl wir eine Möglichkeit haben, Kontakt miteinander aufzunehmen, zum Zeichen, dass wir am Leben sind und zurechtkommen.«
Er ließ ihr Gesicht nicht aus den Augen, denn ihm war vollkommen klar, dass er den Bericht mit seinem verletzten Bruder begann, weil das an ihr mitfühlendes Wesen appellieren würde. Er konnte nicht aufhören zu sein, wer er war. Seine Ausbildung hatte ihm die Fähigkeit verliehen, jeden Gesichtsausdruck zu deuten und rasche Korrekturen vorzunehmen, wenn er eine Schlacht verlor. Bisher sah sie ihn mit sanften Augen an und verstand nicht wirklich, worauf er abzielte, aber sie war bereit, ihn zu verstehen.
»Die gestohlenen Informationen befanden sich auf einem Microchip, einem winzig kleinen Ding. Er war in eine Jacke eingenäht und die Diebe hatten genau gewusst, wo sie ihn finden konnten. Sie haben ihn aus der Jacke herausgeschnitten und sind verschwunden. Dieser Chip ist extrem wichtig und ich wurde geschickt, um ihn ausfindig zu machen.«
Er musterte Judiths Gesicht. Sie war jetzt ganz still und auf ihren Gesichtszügen zeigte sich die Andeutung eines Grübelns, als versuchte sie, ein Rätsel zu lösen.
»Ich habe die Ehefrau und ihren Liebhaber gefunden und sie haben mich geradewegs zu Jean-Claude La Roux geführt.«
Sie riss ihren Kopf hoch und sah ihm in die Augen. Der Atem strömte aus ihrer Lunge, als hätte er ihr einen unerwarteten Schlag versetzt – was wahrscheinlich der Fall war. Er ging einen Schritt auf sie zu. Judith wich vor ihm zurück, schüttelte den Kopf und hob eine Hand mit der Handfläche nach vorn, um ihn abzuwehren.
»Das verstehe ich nicht.«
»Bevor ich an ihn rankam, wurde La Roux in Frankreich vor Gericht gestellt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Der Chip wurde nie auf dem Schwarzmarkt angeboten und wir wussten, dass er keine Zeit gehabt hatte, ihn zu verkaufen. Wir haben mit diplomatischen Mitteln versucht, La Roux nach Russland ausliefern zu lassen, aber Frankreich hat das verweigert. Am Ende, als letzten Ausweg, wurde ich in das Gefängnis geschickt, um mir ein Bild von der Lage zu machen. Wir mussten wissen, ob er den Chip noch hat und wie wir ihn zurückkriegen.«
Judith presste sich eine Hand auf den Magen. »Du bist nicht hergekommen, um dich als Thomas Vincent zur Ruhe zu setzen. Du bist hergekommen, weil du glaubst, Jean-Claude hätte
Weitere Kostenlose Bücher