Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
des Dachs, um Ivanov zu verfolgen, und sprang über die schmale Gasse, in der sich der Obdachlose in Erwartung einer kalten Nacht in eine Decke gehüllt hatte.
Stefan landete leichtfüßig auf dem Dach der Weinhandlung und bemühte sich, so leise wie eine Katze zu sein, obwohl er in Anbetracht des Lärms, den die kleine Menschenmenge in dem Laden veranstaltete, bezweifelte, dass irgendjemand etwas von der Jagd mitbekommen würde. Er konnte nichts weniger gebrauchen als Zeugen wie den alten Bill. Thomas Vincent hätte keine Killer über Dächer gejagt. Er rannte vier Schritte weit und fühlte, wie Feuer seine Wange streifte, während eine zornige Biene in seinem Ohr surrte. Er ließ sich flach auf den Bauch fallen und war, während er sich zur Dachkante rollte, dankbar dafür, dass Ivanovs Stärke nicht das Töten aus der Ferne war – und auch nicht das Schießen beim Laufen. Der Killer konnte schießen, aber er war nicht für seine Geschicklichkeit bekannt, im Laufen zu schießen, wogegen sämtliche Prakenskij-Brüder diese Begabung besaßen.
Stefan ließ sich über die Dachkante gleiten, als der zweite Schuss einen Dachziegel neben seiner Schulter in die Luft jagte. Splitter des Ziegels regneten in sein Gesicht herab. Er hielt sein Körpergewicht an den Fingerspitzen, zählte bis zehn und zog sich wieder hoch. Ivanov würde befürchten, er würde sich auf den Boden fallen lassen und seine Fluchtroute auf ebener Erde verfolgen. Der Eliminator hatte sich offensichtlich auf jedes denkbare Szenario vorbereitet. Das hatte man ihnen allen vor vielen Jahren beigebracht, in den Schulen, die sie besucht hatten, den Schulen, die Monster aus ihnen gemacht hatten.
Stefan würde vorsichtig sein müssen. Ivanov absolvierte diesen Lauf nicht zum ersten Mal, sondern schon seit er seinen Fluchtweg über die Dächer festgelegt hatte. Wahrscheinlich hatte er mitten in der Nacht wiederholt geübt, diese exakte Route im Dunkeln zurückzulegen – und er war bewaffnet, samt Schalldämpfer, was nicht unerwartet kam. Aber die Schüsse waren unerwartet gekommen. Ivanov wollte entkommen und nicht etwa noch mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Er würde den Gedanken nicht aufgeben wollen, Lev zu töten, wenn das der Grund für sein Hiersein war. Ivanov war äußerst hartnäckig.
Die Weinhandlung war ein kompaktes Quadrat und ihr Fassungsvermögen war selbst durch eine so kleine Gruppe vollständig ausgelastet; die Geräusche drangen durch Fenster und Türen. Der Lärm, der aus dem überfüllten Gebäude aufstieg, erschwerte es, leise Schritte zu hören, die über das Dach liefen. Mit großer Verstohlenheit zog sich Stefan gerade so weit hoch, dass seine Augen auf das Dach blicken konnten. Ivanov schien von dem Dach verschwunden zu sein, aber Stefan zog sich vorsichtshalber sehr behutsam hoch. Als kein Schuss auf ihn abgegeben wurde, sprang er aufs Dach, rannte in gebückter Haltung los und legte Tempo zu, weil er den Schwung brauchte, um auf das nächste Dach zu springen.
Stefan raste diagonal die Dachschräge der Galerie hinauf, um möglichst schnell voranzukommen und seine Position direkt hinter Ivanov zu beziehen, und er musste bei jedem Schritt gegen den Wind ankämpfen. Dem Eliminator war es bereits gelungen, auf der anderen Seite des Dachs hinunterzulaufen, und er sprang gerade auf ein kleineres Geschäft, das handgemachte Möbelstücke verkaufte. Das Gebäude war einstöckig und hatte ein normales Dach, aber es war ein gutes Stück von der Straße zurückversetzt. Das gab Stefan die Chance, etwas Zeit reinzuholen, da er sich bereits am unteren Ende des Dachs befand. Er sprang auf das Dach, als Ivanov gerade auf das nächste lange Gebäude sprang, eine Tischlerei.
Statt geradeaus weiterzulaufen, schlug Ivanov wieder den Weg in Richtung Straße und zur Vorderfront des Gebäudes ein und verschwand dann auf der anderen Seite des Dachs. Dieses Vorgehen warnte Stefan, denn es sagte ihm, dass der Killer einen Plan hatte. Dennoch verlangsamte er seine Schritte nicht, sondern erhöhte seine Vorsicht, während er an der Route herumrätselte und in Gedanken vorwegzunehmen versuchte, was der Mörder ausgeheckt hatte.
Unter ihm befand sich die Hauptstraße des Küstenorts. Auf der anderen Seite des Straßenpflasters schlug der Ozean gegen die Klippen, dunkles Wasser, das seine Gischt hoch in die Luft aufsprühen ließ. Der Wind knallte ihm entgegen, als er über ein weiteres Gebäude rannte, zweistöckig mit einer Dachkonstruktion auf
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