Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
Hocke, berührte zwei kleine Flecken auf dem Dachziegel und hob seine Finger an seine Nase. Blut. Er verlor zwar selber ein paar Tropfen, aber das hier war eindeutig Petr Ivanovs Blut. Er atmete langsam aus. Jagd auf einen verwundeten Ivanov zu machen hatte viel Ähnlichkeit damit, einen verwundeten Grizzlybär zu verfolgen, aber er hatte eigentlich gar keine andere Wahl. Ivanov musste sterben, damit Levs Sicherheit gewährleistet war.
Die Flecken waren in einem diagonalen Muster angeordnet, das quer über das Dach führte und nicht direkt zum nächsten Dach. Ivanov konnte es unmöglich über den Dachfirst geschafft haben, ehe Stefan den Dachfirst des Hotels erreicht und ihn nirgendwo gesehen hatte. Das konnte nur eines bedeuten …
Stefan sah sich die Dachkonstruktion des Hotels genauer an. Zur Fassade des Gebäudes hin ragte ein eckiger Vorsprung über einen kleinen Balkon, wie ihn auch etliche andere Zimmer im dritten Stock hatten. Wenn Ivanov sich in eines der Zimmer geschlichen hatte und auf der anderen Seite wieder herausgekommen war, dann konnte er überall sein. Er hätte sich sogar von hinten an ihn anschleichen können. Der Drang, die Verfolgung aufzunehmen, war enorm, aber sein Selbsterhaltungstrieb mahnte ihn zur Vorsicht.
Er ging wieder in die Hocke und sah sich die drei Fenster an. Wenn er derjenige gewesen wäre, der in Betracht zog, über die Dächer gejagt zu werden, dann hätte er das Eckzimmer gemietet, das Fenster offen gelassen und wäre hineingeschlüpft, hätte es geschlossen und wäre nach unten gegangen, hätte das Hotel durchs Foyer verlassen und sich unter die Leute gemischt. Oder er wäre wieder aus dem Fenster in der Fassade gestiegen und von dort aus aufs Dach gelangt, was ihn hinter jeden Verfolger gebracht hätte.
Stefan fluchte tonlos, kroch wieder zum Dachfirst und mied diesen lockenden Balkon und die Fassade des Gebäudes. Er suchte die Straße unter sich ab. Die Weinhandlung war immer noch zum Bersten voll, aber die Straße selbst war menschenleer und lag im Dunkeln. Zwei Jugendliche knutschten hinter den Toiletten auf der anderen Straßenseite und Bill, der alte Obdachlose, bewegte sich unruhig in seiner kleinen Nische zwischen den Gebäuden, aber ansonsten rührte sich nirgendwo jemand.
In einer kauernden Haltung bewegte er sich in Zeitlupe die steile Dachschräge hinab, um einen Blick auf das Gebäude zwischen dem Hotel und der Bar zu werfen. Ein huschender Schatten bewegte sich, doch er war so klein, dass Stefan anfangs glaubte, es könnte eine Katze sein. Dann aber riskierte er es und rannte plötzlich das Dach hinunter, um auf das benachbarte Gebäude zu springen. Der Schatten streckte sich, als er auf das Dach der Bar sprang und zur Fassade rannte, wo das zerbrochene Schild dem fliehenden Mörder dabei half, sich zu verbergen.
Stefan sprang, warf sich mit dem ganzen Körper auf das Flachdach direkt über der Bar und riss Ivanov auf den Boden. Er schlug schwer auf, denn die Entfernung war etwas zu groß und der Winkel zu steil gewesen, und der Aufprall verschlug ihm den Atem. Er hörte ein verhängnisvolles Knacken und Ivanov entwich der Atem in einem Zischen, in dem sich Schmerz ausdrückte, doch gleichzeitig packte Ivanov die Hand, in der Stefan das Messer hielt.
Sie wälzten sich herum und knallten an das zerbrochene Neonschild; Metall und Glas schnitten sich in Stefans Rücken und in seine Schulter, während beide Männer darum kämpften zu verhindern, dass Klingen ihre Körper durchstachen. Sie kämpften stumm und grimmig, ein grausamer Kampf auf Leben und Tod zwischen zwei erstklassigen Kriegern. Schließlich lösten sie sich voneinander, zogen sich beide auf die Füße und umkreisten sich gegenseitig schweigend.
Stefan war in solchen Situationen generell wortkarg. Er hatte es nicht nötig, sich mit einem Haufen Drohungen Mut zu machen. Der Atem seines Feindes ging langsam und gleichmäßig, wurde aber bei jedem Einatmen von einem Zischen des Schmerzes begleitet, was darauf hinwies, dass ein Knochen gebrochen war. Ivanov war ein gefährlicher Feind, schnell und geschickt. Eine falsche Bewegung und Stefan war tot. Der Killer geriet nicht in Wut, er tötete einfach nur. Dreimal fuhr seine Klinge über Stefans Handgelenk und über seinen Unterarm. Der Eliminator trug ebenfalls Spuren davon.
Das Geräusch von Gelächter drang aus der Weinhandlung und klang plötzlich viel lauter. Ivanov stürzte sich auf ihn, schlug sein Messer zur Seite und zwang Stefan, das
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