Hüterin der Seele -: Sea Haven 2 (German Edition)
legten sie Stefan rein, damit er sie zu seinem Bruder führte?
Er reagierte nicht auf die Neuigkeiten, die Zeile für Zeile auf seinem Bildschirm erschienen. Wie Lev neigte auch er nicht zur Panik. Er wartete schweigend. In vollkommener Ruhe. Eine neue Nachricht erschien auf dem Computerbildschirm und sein Herz machte einen Sprung, ehe es sich wieder beruhigte.
Er sollte nach Sea Haven gehen und eine Beziehung mit Judith Henderson beginnen. Dokumente mit detaillierten Anweisungen für den Auftrag würden folgen. Er fühlte, dass er innerlich erstarrte. Ursprünglich hatte er Jean-Claude verhören sollen, sobald sie ihm den Ausbruch aus dem Gefängnis ermöglicht hätten. Er würde die erforderlichen Informationen mühelos aus La Roux herausholen und das wussten seine Betreuer. Auch wenn er noch so gern nach Sea Haven reisen wollte, um etwas über seinen Bruder herauszufinden, würde er sich damit auf ein Minenfeld begeben.
Er wartete einen weiteren Herzschlag, ehe er seine Antwort zurücksandte. Das verstehe ich nicht. Ich soll Jean-Claude verhören.
Die anonymen Befehle liefen weiterhin über den Bildschirm. Der Plan war abgeändert worden. Falls etwas schiefging, wenn La Roux aus dem Gefängnis floh, wollten sie sichergehen, dass sie ihn an sich bringen konnten, falls er sich nach Sea Haven begeben würde. Stefan musste einige Zeit vor ihm dort ankommen und unter seiner angenommenen Identität einen möglichst engen Kontakt zu Judith Henderson herstellen. Falls es sich als notwendig erweisen sollte, würde er, sollte der Gangsterboss dort auftauchen, sowohl Jean-Claude als auch die Frau verhören, sowie er sie beide in Gewahrsam genommen hatte.
Stefans Magen hob sich und ihm wurde schlecht. Er schmeckte tatsächlich Galle im Mund. Mit jedem Mittel Informationen aus La Roux herauszuholen, das war eine Angelegenheit, aber aus der Frau ebenfalls? Er öffnete die Augen, um den Text ein zweites Mal anzusehen, und hoffte, wenn er es sich inständig genug wünschte, würden sich die Befehle wie durch Zauberhand verändern. Er musste verdammt müde sein, wenn er eine so starke körperliche Reaktion auf den Befehl hatte.
Einen Moment lang schloss er die Augen wieder und schüttelte den Kopf. Hinter diesem Auftrag steckte ganz entschieden etwas anderes als das, was man ihm sagte. Es war eine unsinnige Vorstellung, Agenten würden Jean-Claude den Ausbruch aus dem Gefängnis ermöglichen und ihn dann verlieren. Er wurde nicht etwa nach Sea Haven geschickt, weil sie glaubten, sie würden den Gangsterboss verlieren, sondern als Köder, um seinen Bruder Lev aus der Versenkung hervorzulocken. Sie hatten Petr Ivanovs Bericht über den Tod seines Bruders doch nicht geglaubt. Die Befehle dienten einem zweifachen Zweck. Er sollte herausfinden, wo Lev sich aufhielt, und falls La Roux den anderen Agenten tatsächlich entkam, würde er an Ort und Stelle sein, um die benötigte Information aus ihm herauszuholen und ihn dann zu töten.
Er schluckte seinen ungeheuren Widerwillen gegen die Befehle hinunter und tippte seine Zustimmung. Wenige Momente später empfing er einen Download. Das Dokument enthielt alles, was sie über Judith Henderson zusammengetragen hatten. Er meldete sich ab und goss sich eine Tasse Kaffee ein, ließ sich auf einen Sessel sinken und rieb sich die Schläfen. In der letzten Zeit bekam er häufig stechende Kopfschmerzen, ein weiteres Anzeichen dafür, dass er kurz vor dem Zusammenbruch stand. Er konnte sich aber keinen Zusammenbruch leisten, nicht dann, wenn sie ihn nach Sea Haven schickten.
Einerseits wollte er hingehen, und gerade deshalb überlief ihn ein Schauer der Sorge. Er wollte Petr Ivanov nicht zu Lev führen, und wenn Lev in Sea Haven war, würde er Stefan finden, selbst dann, wenn seine Tarnung hieb- und stichfest war. Er fluchte in drei Sprachen und trank einen Schluck von seinem Kaffee. Judith. Der Teufel sollte die Frau holen. Sie war ihm in dieser Gefängniszelle unter die Haut gegangen. Er hatte nicht für möglich gehalten, dass jemand das schaffen würde, ganz zu schweigen von einer Frau, der er nie begegnet war.
Er öffnete das Dokument und las, was sie über ihr Leben wussten. Japanische Mutter, amerikanischer Vater. Beide bei einem Autounfall gestorben. Die Größe hatte sie von ihrem Vater. Diese wunderbaren langen Beine. Er zwang sich, seine Gedanken wieder den Fakten zuzuwenden und sie sich einzuprägen. Sie hatte einen Bruder, älter, der sie nach dem Tod ihrer Eltern großgezogen
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