Hüterin des Schicksals - Rätselhafter Fremder (German Edition)
kunstvoll verzierten Leiste am Rand des Deckels. Es war klein, aber aus stabilem Metall. Sie wurde neugierig, sonst war hier am Dachboden nichts verschlossen gewesen. Es musste etwas Besonderes in der Truhe sein. Sie zog wieder den Schlüsselbund hervor und fand den passenden Schlüssel. Ein lautes Klacken ertönte, als sie den Schlüssel drehte. Gespannt hob sie den Deckel an. Ganz oben lag eine sorgfältig bestickte Decke. Sie zog sie heraus und betrachtete das Muster. Es waren vermutlich Schriftzeichen, aber sie konnte sie nicht entziffern. Behutsam legte sie die Decke neben sich ab und wandte sich wieder der Truhe zu. Bald hatte sie das Gefühl im Schatzkästchen einer Hexe gelandet zu sein. Sie fand seltsam gebogene Messer, Kerzen, intensiv duftende Pulver und Kreide. Hatte sich ihre Tante in ihrer Verwirrung für eine Hexe gehalten? Aber das Alter der Gegenstände sprach dagegen, manches wirkte, als ob es schon Jahrzehnte alt wäre. Sie begann sich zu fragen, ob sie Elena überhaupt gekannt hatte. Aber immerhin war nichts von einem Amulett zu sehen. Sie atmete erleichtert auf, sie würde ein paar Therapiestunden mit einem guten Psychiater ausmachen und den ganzen Mist hier verkaufen. Sie war erleichtert, kam sich aber auch unsäglich dämlich vor, wie hatte sie nur glauben können, das alles wäre real? Sie begann schon wieder alles einzuräumen, als ihr eine Erhebung im Truhenboden auffiel. Sie tastete vorsichtig mit den Fingerspitzen darüber. Tatsächlich, da war etwas unter dem Futter aus Samt. Sie tastete die Umgebung ab, bis sie einen kleinen Schlitz erfühlte. Vorsichtig schob sie an der Beule, bis sie den Gegenstand durch den Schlitz heraus holen konnte. Es war ein kleines schmales Etui. Sie hob es hoch, um es zu betrachten. Es war eine Schmuckschatulle. Neugierig klappte sie das Kästchen auf und erstarrte, auf dem schwarzen Samt, lag ein Amulett, es hatte die Form einer Triskele. Sie stöhnte gequält auf und schloss für einen Moment die Augen. Aber als sie wieder hinsah, lag es immer noch vor ihr. Sie berührte es vorsichtig mit den Fingerspitzen, ein leichtes Prickeln durchfuhr sie, genau wie am Vortag, als sie das Bild berührt hatte. Obwohl ein Teil von ihr wusste, wie verrückt das klang, brannte sich eine bittere Erkenntnis in ihr Gehirn, ihre Tante war nicht verrückt gewesen und sie war es auch nicht. Fakt war, sie hatte dieses Amulett noch nie gesehen und doch hatte der Mann in ihrem Traum es erwähnt. Das Bild hatte unter ihren Fingern geprickelt, ebenso wie das Amulett eben und es hatte sich gewellt. So wenig ihr das gefiel, alles sprach dafür, dass in dem Buch ihrer Tante die Wahrheit stand. Und wenn das stimmte, konnte auch der Rest von Darios Geschichte stimmen. Panik stieg in ihr auf, wenn er recht hatte, würde sie bald in der Welt hinter dem Bild feststecken, wenn sie nicht lernte, mit ihren Gaben umzugehen. Mit dem Amulett in der Hand sprang sie auf und hetzte nach unten, um sofort in dem Buch weiterzulesen.
6.Kapitel
Cassandra fuhr mit einem Schrei in die Höhe und stöhnte vor Schmerz auf, als ein heftiger Stich sie durchfuhr. Sie sah sich hektisch um, aber da waren keine Monster oder eine scheußliche Landschaft, sondern nur der Küchentisch und das Buch ihrer Tante. Langsam klärten sich ihre Gedanken. Sie hatte wie eine Besessene in dem Buch gelesen, bis die Buchstaben vor ihren Augen zu tanzen begonnen hatten. Aber selbst dann hatte sie nicht aufgehört. Ein Blick zum Fenster verriet ihr, dass es schon mitten am Tag war, sie musste über dem Buch eingeschlafen sein. Sie griff sich an die schmerzende Stelle an ihrem Nacken und massierte sie vorsichtig. Bei ihrer heftigen Bewegung vorhin hatte sie wohl einen Muskel in Mitleidenschaft gezogen, oder es war auf die unbequeme Schlafposition zurückzuführen. Immerhin hatte sie im Sitzen mit dem Kopf auf einem geöffnetem Buch geschlafen. Ihr schwirrte noch der Kopf. Sie hatte einen scheußlichen Albtraum gehabt, ihre Tante hatte sie in eines der Bilder im Schlafzimmer gezerrt und sie dort reptilienartigen Monstern vorgeworfen. Sie schüttelte den Kopf, um das Unbehagen zu vertreiben. Es war eindeutig ein Traum gewesen, denn im Gegensatz zu ihren nächtlichen Ausflügen zu Darios, begann der Albtraum schon zu verblassen.
Das halbe Buch am Stück zu lesen, war keine gute Idee gewesen. Die meisten Informationen waren ineinander verschmolzen und unklar. Aber wenigstens die ersten paar Kapitel waren halbwegs hängen geblieben. Sie
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