Hüterin des Schicksals - Rätselhafter Fremder (German Edition)
kramte die Fakten aus ihrer Erinnerung hervor. Wie Darios gesagt hatte, war sie bisher nur als Astralkörper bei ihm gewesen. Das passierte, wenn man im Traum von der anderen Seite aus gerufen wurde. Eine erfahrene Hüterin konnte diesen Rufen widerstehen, was zumindest ein Lichtblick war. Sie hatte nämlich keine Lust sich für den Rest ihres Lebens vor dem Schlafen zu fürchten. Wenn man so in die Gefängniswelten gelangte, reichte es sich auf das Haus zu konzentrieren und man kam zurück. War man körperlich drüben, wurde es offenbar schon schwieriger. Es gab ein paar Portale, durch die sie in die Welt rüber und wieder zurück konnte. Aufgeführt hatte ihre Tante nur eines. Denn das Hauptportal befand sich immer direkt hinter den Bildern, was im Fall von Darios Welt der Platz mit den Marktständen war. Die anderen Portale waren sozusagen Notlösungen, falls man nicht durch das Hauptportal reisen konnte, oder wollte. Aktivieren ließen die Portale sich auf demselben Weg wie ihre Traumflucht, sie musste sich bildlich vorstellen, wo sie hinwollte. Allerdings musste sie das Portal dabei berühren. Neben dem Triskelen Amulett waren auch die anderen Gegenstände in der alten Kiste für die Hüteraufgabe von Bedeutung. Aber sie erinnerte sich nicht mehr genau wofür. Immerhin war ihr die Sache mit dem Amulett in Erinnerung geblieben. Es diente dazu, andere Leute durch ein Portal zu bringen. So hatten die Hüterinnen die Gefangenen verbannt. Aber das wirklich Deprimierende an der ganzen Sache war, dass das Buch nur wie ein Crashkurs war. Nahezu bei jedem Kapitel waren Vermerke zu anderen Büchern gewesen. Sie stöhnte auf, es würde Wochen, wenn nicht Monate dauern, ehe sie auch nur ansatzweise genug wusste, um dieser Welt zu helfen.
Auch wenn sie begann, die ganze Sache als real zu betrachten, eine Stimme in ihrem Hinterkopf bestand immer noch darauf, dass sie unter Einbildungen litt. Sie warf einen skeptischen Blick auf das Buch und das Amulett, das daneben lag. Auch wenn vieles dafür sprach, sie würde erst mal richtig wach werden und dann noch einen Test machen.
Sie ging in die Küche, zauberte sich aus ihren Einkäufen vom Vortag ein nahrhaftes Frühstück und aß es gezielt langsam und genussvoll. Als sie den letzten Bissen geschluckt hatte, stand sie auf. Sie war jetzt hellwach, satt und voller Koffein, noch mehr klarer Verstand ging nicht. Sie trat zu einem der Bilder in der Küche. Es war eines der hübscheren Exemplare und zeigte eine idyllische Seenlandschaft. Sie legte ihre rechte Hand mit der ganzen Handfläche auf das Bild und stellte sich intensiv vor, das Wasser des Sees an ihren Knöcheln zu spüren. Fast augenblicklich begann ihre Handfläche zu prickeln. Diesmal zog sie die Hand nicht zurück, sondern hielt die Verbindung aufrecht. Das Kribbeln verstärkte sich und das Bild begann sich zu regen. Es sah aus, als ob sich die Wellen im See bewegen würden, sie begann einen leichten Sog zu spüren. Rasch zog sie die Hand zurück, das Bild beruhigte sich sofort wieder. Sie schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder und stand immer noch vor dem, nun wieder regungslosem, Bild. Sie seufzte gequält auf, das alles war real und das gefiel ihr überhaupt nicht. Denn das bedeutete, sie musste sich bald mit riesigen Problemen herumschlagen und mit einem Mann, der ihr viel zu sehr unter die Haut ging.
Sie ging wieder nach unten, um sich die Querverweise in dem Buch näher anzusehen. Vielleicht hatte sie ja Glück und ein paar der alten Bücher waren auf Englisch geschrieben. Auf dem halben Weg begann sie sich plötzlich unruhig zu fühlen. Sie blieb stehen und versuchte die Ursache zu finden, aber da war nichts. Sie lachte bitter auf, wahrscheinlich gab die ganze vertrackte Sache ihrer Psyche den Rest. Sie zwang sich das nervöse Kribbeln zu ignorieren und setzte ihren Weg fort. Sie kam den halben Korridor weit, dann wurde ihr furchtbar schwindlig. Sie taumelte und versuchte irgendwo Halt zu finden, ihr wurde schwarz vor Augen. Als das schwarze Flimmern verschwand, stand sie vor dem Bild von Darios Welt. Was zur Hölle war denn nun los? Während sie das noch dachte, fuhr ein heftiges Ziehen durch ihre Glieder und riss sie nach vorne.
Aber als sie aufprallte, hatte sie keinen Teppich unter ihren Knien, sondern feuchten Matsch. Sie riss den Kopf hoch und starrte auf den Platz mit den Marktständen und diesmal starrten die Leute zurück.
7.Kapitel
Cassandra war wie erstarrt, immer mehr Blicke hefteten
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