Hüterin des Schicksals - Rätselhafter Fremder (German Edition)
sich auf sie. Ein Raunen ging über den Platz, das sich zu einem lauten Gewirr aus Sprachfetzen steigerte. Sie musste hier weg, aber ihre Glieder gehorchten ihr nicht, sie war vor Entsetzen wie gelähmt. Die Leute begannen mit den Fingern auf sie zu zeigen und plötzlich schob sich jemand durch die Menschenmenge auf sie zu. Ihr Entsetzen steigerte sich zu nackter Panik. Der Mann trug eine Art Rüstung und eine riesige Axt, er brüllte: „Du da im Dreck, rühr dich nicht.“ Sie begann zu zittern, ihre Zähne schlugen aufeinander und ein Wimmern kroch über ihre Lippen, sie würde hier sterben. Der Mann hatte schon den halben Platz überquert, als sie ohne Vorwarnung von hinten gepackt und hochgerissen wurde. Sie schrie panisch auf, eine samtige Stimme zischte ihr zu: „Beweg dich endlich.“ „Darios“, keuchte sie, er riss an ihr und sie stolperte hinter ihm her.
Er zerrte sie immer weiter, eine enge Gasse um die nächste, bis sie völlig die Orientierung verloren hatte. Sie zitterte immer noch, aber immerhin gehorchten ihre Glieder wieder. Die Flucht kam ihr endlos vor, ihr Atem kam nur noch keuchend und ihre Lungen brannten. Aber er schleppte sie immer weiter mit sich. Erst als sie das Geschrei der Leute nicht mehr hören konnte, stoppte er. Hektisch sah sie sich um, sie standen in einem Eingang. Der Türstock war ein wenig ins Haus versetzt und entzog sie so den Blicken von der Straße. „Danke“, flüsterte sie heiser und sah ängstlich auf die Straße. „Hast du das Amulett gefunden“, fragte er angespannt. Ohne sich zu ihm umzuwenden, antwortete sie: „Ja.“ Er seufzte erleichtert: „Gut, dann können wir es beenden. Weißt du inzwischen, wie du es anwenden musst?“ „Noch nicht, aber es würde ohnehin nichts nützten, ich habe es nämlich nicht bei mir.“ Er packte sie an den Schultern und riss sie zu sich herum. Er schrie sie an: „Wie konntest du ohne das Amulett herüberkommen? Ich hatte dir doch erklärt, wie wichtig es ist.“ Seine ebenmäßigen Züge waren vor Wut verzerrt. Sie zuckte zusammen, aber dann wurde sie wütend. Sie riss sich von ihm los und fauchte: „Zur Hölle mit dir. Ich habe wie eine Verrückte nach dem Amulett und dem nötigen Wissen gesucht, seit ich wieder in meiner Welt war. Aber ich hatte keine Ahnung, dass mir nicht mal zwölf Stunden bleiben, ehe ich vom Bild geholt werde. Das hast du nämlich nicht erwähnt, Mister Unfehlbar.“ Seine schönen grünen Augen weiteten sich für einen Moment verblüfft und die Wut in seinem Gesicht wich Überraschung. Aber es dauerte nur einen Herzschlag, dann wurde seine Miene weich, er sagte sanft: „Es tut mir leid. Ich weiß es ist nicht deine Schuld, aber ich hatte so sehr gehofft, es endlich beenden zu können.“ Seine breiten Schultern sackten niedergeschlagen nach unten, in ihr stieg das Bedürfnis auf, ihn zu trösten. Aber sie riss sich zusammen, straffte sich und stellte fest: „Ich muss zum Platz zurück.“ Er schüttelte bedauernd den Kopf, „das geht nicht. Inzwischen wird die Königin wissen, dass du hier bist. Sie weiß auch, dass der Platz das Hauptportal ist, sie wird ihn überwachen lassen.“ Cassandra begann wieder zu zittern, sie krächzte: „Aber ich muss in meine Welt zurück.“ Er hob die Hand und strich ihr sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht, „ja, das musst du, aber nicht dort. Ich werde dich bis zum Einbruch der Nacht verstecken und dir eine Verkleidung besorgen.“ „Und dann?“, fragte sie ängstlich. „Dann werde ich dich zu einem der Nebenportale bringen.“ Cassandra war zweiunddreißig und bis vor Kurzem eine erfolgreiche Karrierefrau gewesen, aber jetzt fühlte sie sich wie ein ängstliches Kind. Sie blinzelte, weil ihr Tränen in die Augen stiegen. Er zog sie sanft an sich. Im Gegensatz zu dem Kuss bei ihrer ersten Begegnung hatte diese Umarmung nichts Erotisches, sie war einfach nur warm und tröstlich. Er sagte zärtlich: „Ganz ruhig Cassandra, ich bringe dich wieder zurück in deine Welt, versprochen.“
Er hatte sie, diesmal weniger hektisch, zu einem der kleinen Häuser geführt. Dort waren sie von einer Frau eingelassen worden. Cassandra hätte ihr Alter nicht schätzen können, Erschöpfung und das dämmrige Licht in dem Haus hatten ihre Züge verschleiert. Darios hatte kurz mit ihr geflüstert und Cassandra dann in einen der Räume gebracht.
Jetzt saß sie auf einem hölzernen Bett, das nur durch eine grobe Decke gepolstert wurde, und wartete. Darios war wieder durch
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