Hüterin des Schicksals - Rätselhafter Fremder (German Edition)
zurück, in ein etwas größeres Haus am Rand der Ortschaft. „Was ist das für ein Haus?“, fragte sie. „Ein Waisenhaus, hier leben die Kinder der Leute, die Isobels Grausamkeiten zum Opfer gefallen sind. Eure Tante hat es gegründet.“ „Aber das ist doch eine gute Sache, warum sagst du dann ihr wärt ihr egal gewesen?“ Er erwiderte bitter: „Warte erst mal ab, bis du alles gesehen hast.“ Er führte sie ins Haus, sie keuchte bei dem Anblick, der sich ihr dort bot, geschockt auf. Das Erdgeschoss bestand aus einem großen Raum, in dem viele Tische aufgestellt waren. Dort saßen oder standen unzählige Kinder in den verschiedensten Altersstufen. Alle waren in Lumpen gekleidet und abgemagert. In ihren ausgezerrten Gesichtern stand die nackte Verzweiflung. Ihre kleinen Hände waren mit den verschiedensten Arbeiten beschäftigt. Manche webten, andere nagelten, andere wieder zerstießen mit einem Mörser Getreide und vieles mehr. Sie hatten nicht mal den Kopf gehoben, als sie eingetreten waren. Ihr Kopf flog zu Erik herum, sie sah ihn entsetzt an. Er erklärte bitter: „In diesem Waisenhaus müssen sie arbeiten, bis sie nicht mehr können. Nicht für das Dorf, sondern für Isobel. Sie haben, wie wir alle, vorgeschriebene Abgabemengen, wenn sie die nicht schaffen, dann werden sie bestraft. Und glaubt mir, die Mengen sind unglaublich hoch.“ Cassandras Stimme zitterte, als sie fragte: „Und was bekommen sie dafür?“ Er antwortete hart: „Sie dürfen leben, hier schlafen und bekommen gerade genug zu essen, um nicht zu verhungern.“ „Wieso holt ihr sie nicht von hier weg?“ Er erwiderte hilflos: „Wohin sollten wir sie bringen? Keiner von uns kann auch nur einen Mund mehr durchfüttern. Jeder in diesem verfluchten Land hat nur das Nötigste. Bis auf Isobels Günstlinge, und die sind kaum besser als sie selbst.“ „Aber wenn es fast allen so schlecht geht, wieso hat es noch keine offene Rebellion gegeben? Egal wie gut ihre Armee ist, sie kann doch unmöglich gegen alle ankommen.“ „Gegen die Armee hätten wir es versucht. Aber sie ist eine mächtige Hexe, gegen sie hat keiner von uns eine Chance. Ihr seit unsere letzte Hoffnung.“ „Ich habe verstanden, lass uns zurückgehen.“ Er schüttelte den Kopf, „noch nicht, es gibt noch etwas das ihr sehen solltet.“ Er deutete auf die Treppe zum Keller. Kaltes Entsetzen kroch in Cassandra hoch, als sie ihm folgte. Je tiefer sie kamen, desto größer wurde es. Zuerst war es nur der modrige Geruch gewesen, dann war die Kälte dazugekommen aber jetzt begannen die Geräusche. Ein hohles Wimmern aus verschiedenen Kehlen drang von überall auf sie ein. Erik führte sie am Fuß der Treppe einen Gang entlang. Links und rechts von ihr waren massive Türen. Hinter ihnen erklang das Wimmern. Sie würgte: „Was ist das?“ „Die Grausamkeit von Isobel“, sagte er bitter. Er stoppte vor einer der Türen und schloss sie auf. Er trat zurück und sagte: „Bitte Hüterin, tretet ein.“
Jetzt wo die Tür offen war, steigere sich das Wimmern zu einem ängstlichen Weinen. Ihr sträubten sich die Haare, sie wollte nicht sehen, was oder wer da drinnen war, aber Erik sah sie erwartungsvoll an. Mit kleinen zittrigen Schritten ging sie auf die Zelle zu. Als sie in der Tür stand, schrie sie instinktiv vor Entsetzen auf. In der Zelle hing ein kleines Mädchen in Ketten an der Wand. Sie war nackt, ihr ganzer Körper war mit Schnitten und Striemen bedeckt. Sie blickte Cassandra angsterfüllt entgegen und schluchzte: „Bitte, es tut mir leid, ich werde es nie wieder tun.“ Mitleid überschwemmte Cassandras Brust und Abscheu auf Isobel und ihre Helfer. Erik war nun neben sie getreten und sagte bitter: „Sie hat ein Stück Brot gestohlen, für ihren Bruder, der krank war.“ „Wo …, wo ist ihr Bruder?“, würgte sie hervor. „Tot. Wer nicht arbeitet, bekommt nichts zu essen.“ Ihr wurde übel, sie flüsterte: „Dir geht es doch gut, warum gibst du ihnen nicht wenigstens ein wenig zu essen?“ Erik antwortete niedergeschlagen: „Wie gesagt, Isobels Spione sind überall, auch hier. Wenn ich ihnen etwas geben würde, oder Strafen wie diese verhindern würde, dann würde sie mich meines Postens entheben. Ich würde den Kindern langfristig nicht helfen. Schlimmer noch, ich könnte dann auch sonst niemand mehr helfen.“ Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie trat nach vorne, kniete sich vor dem Mädchen auf den Boden, sah ihm in die Augen und schwor: „Ich werde dich
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