Hüterin des Schicksals - Rätselhafter Fremder (German Edition)
emotionslos nach vorne in die Dunkelheit: „Isobel mag keine hässlichen Dinge und ich bin für sie ein hässliches Ding. Ihr Hofstaat tut es ihr gleich. Aber meine Familie hat ihr seit Genrationen als Barone gedient und sich einen hohen Status erarbeitet. Meine Vorfahren waren am Hof gerne gesehen und meine Nachfahren werden es auch wieder sein. Ich gefährde das nicht, nur weil es für mich schwer ist.“ Entgegen ihres Vorsatzes stieg schon wieder Mitleid in ihr auf. Sie fragte sanft: „Wie seit ihr denn zu dieser Narbe gekommen?“ Er versteifte sich und sagte dann kalt: „Ich war jung und dumm und habe dafür bezahlt.“ Sie runzelte verwirrt die Stirn, aber seine steife Haltung hielt sie davon ab, weiter zu bohren. Sie wechselte das Thema: „Sagt mal, wenn ihr so eine gute Partie seit, warum seit ihr dann noch nicht verheiratet?“ Er wandte sich ihr wieder zu, deutete auf seine entstellte Gesichtshälfte und sagte hart: „Die Bereitschaft jeden Morgen neben diesem Gesicht aufzuwachen, war bisher bei den adeligen Damen nicht sehr ausgeprägt.“ „Und das kümmert die Väter? Ich hatte den Eindruck, dass Frauen hier nicht eben viel zu melden haben.“ Respekt blitzte kurz in seinem Auge auf, „Ihr mögt neu sein, aber ihr habt eine rasche Auffassungsgabe. Es stimmt, abgesehen von besonderen Juwelen wie der Königin oder euch, haben Frauen diese Entscheidung tatsächlich nicht zu treffen.“ Cassandra musterte ihn neugierig, der Mann war ihr ein Rätsel. Einerseits schien er in blinder Loyalität hinter Isobel und ihrem Gesellschaftssystem zu stehen, anderseits schien er viele Dinge anders zu sehen, als der Rest des Hofstaates. Sie setzte nach: „Also, warum seit ihr dann noch ledig?“ Ein zaghaftes Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück, „ihr seit hartnäckig.“ „Eine meiner nervigeren Eigenschaften.“ Sein Lächeln vertiefte sich, er erklärte: „Ich habe kein Interesse an einer Frau, die nur aus Pflicht die Beine für mich spreizt und dabei vor Ekel würgt. Also keine Angst, niemand wird euch zwingen mich zu heiraten. Das ist der einzige Dienst, den ich Isobel stets verweigert habe.“ Es gab keinen einzigen logischen Grund, der für ihren Impuls sprach, es war reines Bauchgefühl. Aber Cassandra folgte ihm, hob die Hand und strich ihm zärtlich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich vor seine Narbe geschoben hatte, und sagte sanft: „Ich ekle mich nicht vor euch, ich liebe euch nur nicht.“ In dem Moment, als sie ihn berührt hatte, war er zusammengefahren. Nun starrte er sie ungläubig an. Er flüsterte heiser: „Ich danke euch.“ Cassandras Mund wurde trocken, sie räusperte sich und fragte dann betont locker: „Habt ihr von ihren Kuppeleiplänen gewusst?“ „Ja, aber ich hatte damit gerechnet, dass ihr mich ebenso ablehnt, wie alle Anderen. Ich hielt es nur wieder für eine ihrer Demütigungen. Aber wenn ihr euch jemals entschließen solltest, mir eine Chance zu geben, würdet ihr es nicht bereuen.“ Cassandra erwiderte ernst: „Ich kenne euch kaum. Wenn ich annehmen würde, würde ich es aus logischen Gründen tun. Das wäre nicht viel anders, als ob ihr eine der hiesigen Adeligen heiraten würdet. Warum also wollt ihr mich und nicht eine von ihnen?“ Er erwiderte heiser: „Weil mich keine von ihnen jemals so angesehen hat wie ihr eben.“ Sie runzelte irritiert die Stirn, „wie habe ich euch denn angesehen?“ „Als ob ich kein Monster wäre“, antwortete er bitter und in seinem Auge leuchtete der Schmerz diesmal unverschleiert auf. Ihr blieben die Worte weg. Ihr Bauchgefühl riet ihr ihm zu trauen, ja ihn zu mögen, aber er war Isobels Vertrauter, also musste sie vorsichtig sein. Sie hatte nach diesem Tag einfach keine Kraft mehr, sich auch noch mit diesem Rätsel zu beschäftigen. Sie fragte leise: „Wisst ihr, wo mein Zimmer ist? Ich hoffe mal es ist nicht wieder der Kerker.“ „Natürlich nicht, sie haben euch eines der schönsten Gemächer zugeteilt. Soll ich euch dorthin bringen?“ „Das wäre sehr freundlich, ich bin furchtbar müde.“
Der Baron hatte ihr wieder den Arm gereicht und sie in den Palast zurückgeführt. Ihr Gemach befand sich etliche Zimmer vom Festsaal entfernt. Sie standen nun vor der Tür und Cassandra rätselte gerade, wie man sich hier, in einer solchen Situation angemessen und höflich verhielt. Zu Hause hätte sie ihm einen Kaffee angeboten, aber das kam hier ja wohl nicht infrage, nur mit Mühe unterdrückte sie ein
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