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Hüttengaudi

Hüttengaudi

Titel: Hüttengaudi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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etwas nicht stimmte. »Was ist passiert? Irmi, was ist los?«
    Unter Schluchzen brach es aus ihr heraus: »Wally ist tot. Ich weiß, sie ist nur ein Hund, sie …«
    »Irmi, sie ist nicht nur ein Hund. Sie war Wally. Ach, Scheiße!«
    Jetzt schniefte er und hatte Mühe zu sprechen. Eigentlich war es doch skurril, dass Irmi nun ihn trösten musste.
    »Es war das Beste. Es musste sein. Jeden weiteren Tag hätte sie sich quälen müssen.« Nein, sie tröstete nicht ihn, sie tröstete sich selbst.
    »Ich würde dir so gern helfen. Wenn ich nur da sein könnte!«
    Er meinte das ernst, das wusste Irmi. Aber er war nicht da. Er war nie da, wenn es drauf ankam.
    »Mach du mal deinen Job. Wie läuft es denn?«, fragte Irmi.
    »Ach, es läuft. Ich hasse dieses Essen, diese klimatisierten Hotels, ich möchte heim zu …«
    Er brach ab. Er wollte heim. Ja – nur sein Zuhause war nicht ihr Zuhause, seins war das mit seiner Frau und den Töchtern. Dass seine innere Heimat bei ihr lag, mochte stimmen. Aber das nützte ihr rein gar nichts.
    »Und was macht deine Arbeit? Dein Fall?«
    »Ach, das ist eine längere Geschichte. Ich möchte deine Handyrechnung nicht strapazieren.« Irmi wusste, dass sie ihm mit so einem Satz wehtat.
    »Okay, ja, was immer es ist, vertrau auf deinen Instinkt, ja?«
    »Ja«, sagte Irmi. Was wollten die bloß alle mit ihrem Instinkt. Sie sah auf ihr Handy, es war halb zwei. Ihre Zähne klapperten. Bernhard saß in der Stube, er war in Vaters Lehnstuhl eingenickt. Auf seinen Wangen konnte man die Spuren getrockneter Tränen sehen. Irmi löschte die Lampen und ließ ihn sitzen.
    Gegen halb drei stieg sie aus der Badewanne. Derweil hatte sie noch zwei Bier getrunken und fühlte gar nichts mehr.
    Als der Wecker läutete, war es sieben. Normalerweise stand sie zwei Stunden früher auf und ging mit Bernhard in den Stall.
    Sie tapste in die Küche hinunter, der Kaffee lief durch, auf dem Boden stand ein leerer Hundekorb. Irmis Augen füllten sich wieder mit Tränen.
    Sie zog sich an. Der Blick nach draußen verhieß einen strahlenden Tag. Um halb acht kam Bernhard in die Küche.
    »Entschuldige, ich wollte dir helfen, aber der Wecker ging erst um sieben los.«
    »Ich hab ihn verstellt. Du musst doch ein bisschen schlafen«, sagte Bernhard und schenkte sich Kaffee ein.
    Bernhard war ein Guter. Brummig, unzugänglich, aber ein Guter. Er sah zum Hundekorb, dann zu Irmi. Er wirkte hilflos, wirklich wie ein kleiner Bruder.
    »Soll ich den Korb wegräumen?«, fragte er.
    »Wie du möchtest«, antwortete Irmi und ging durch den Raum. Sie blieb kurz bei Bernhard stehen und drückte seine Schulter, ganz kurz.

16
    Als sie ihr Büro betrat, war es kurz nach acht. Kathi rauschte in ihrer typischen geräuschvollen Art herein, gefolgt von Andrea.
    »Wie siehst du denn aus?« Kathi stutzte. »Heiße Nacht oder was? Friday Night Fever?«
    »Eher eine sehr kalte. Wir haben gestern Nacht Wally beerdigt«, sagte Irmi und tat alles, um nicht schon wieder loszuheulen.
    »Oh nein!«, rief Andrea. »Das tut mir so leid. Aber sie war schon alt, oder?«
    Ja, aber wer durfte denn entscheiden, was eine angemessene Lebenszeit für ein Tier war? Kleine Hunde wurden zwölf, große sieben Jahre alt? Katzen mindestens fünfzehn? Und bei Menschen empfand man einen Tod in den Achtzigern als vernünftige Lebenszeit. Natürlich war Wally alt gewesen, aber weh tat der Abschied dennoch. Irmi schluckte und sagte lediglich: »Ja.«
    Sailer war im Türrahmen aufgetaucht und sagte: »Aber bei Ihnen, Frau Irmgard, hot sie a herrlichs Leben g’führt. Des is wenig Viechern vergönnt. Ned amoi den Menschen, den meisten, moan i.«
    Irmi sah Sailer überrascht und dankbar an. In Sailer schlummerten ein gutes Herz und eine klare Sicht auf die Dinge des Lebens.
    Kathi war aufgestanden und hatte für alle Kaffee geholt. Das war ihre Art, »Entschuldigung« zu sagen. »Sie kommt bestimmt in den Hundehimmel«, sagte sie.
    »Ja, nun«, meinte Irmi. »Ich rede jetzt gleich mit der Staatsanwaltschaft und sag euch Bescheid, wie wir weiter vorgehen. Um neun im Besprechungszimmer.«
    Das Gespräch verlief etwa so, wie sie es erwartet hatte. The King was not amused über das, was sie vorzuweisen hatte. Man war der Meinung, dass das alles zu dünn sei, und eigentlich wolle man die Akten nun allmählich schließen. Man fand nämlich auch, dass man ja nicht ewig Leute in einer solchen »causa« binden könne. Und im Prinzip seien ja genug Indizienbeweise vorhanden.

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