Huff, Tanya
und ging vorsichtig um die Schranke
herum. „Danke sehr. Sie waren mir eine sehr große Hilfe. Ich finde schon selbst
hinaus."
Der Maschendrahtzaun protestierte leise und sackte unter
Vickis Gewicht nach vorn, als sie auf die Baustelle hinunterspähte. Im
Augenblick war diese nur ein riesiges Loch im Boden, das mit kleineren Löchern
übersät war, die wiederum mit schlammigem Wasser vollgelaufen waren. Alle
Baumaschinen schienen entfernt und die Arbeit eingestellt worden zu sein. Ob
das aufgrund des Mordes oder des Wetters geschehen war, vermochte Vicki nicht
zu sagen.
„Nun", sie steckte ihre Hände tief in die
Manteltaschen, „das ist mit Sicherheit Erde." Wenn es dort Blut gab, konnte
man es unmöglich finden.
„Gar kein Problem, Vicki." Rajeet Mohadevan
stopfte Vickis drei Frühstücksbeutel in die Tasche ihres weißen Laborkittels.
„Ich kann sie heute abend durchlaufen lassen, ehe ich heimgehe, und niemand
kriegt etwas mit. Wirst du hier sein?"
„Nein." Vicki sah den Funken des Mitgefühls
auf dem Gesicht der Wissenschaftlerin, beschloß aber, ihn zu ignorieren.
Schließlich tat Rajeet ihr einen Gefallen. „Wenn ich nicht daheim bin, kannst
du mir auf dem AB eine Nachricht hinterlassen." „Unter der gleichen
Nummer?" „Unter der gleichen Nummer." Rajeet grinste. „Mit der
gleichen Ansage?"
Vicki merkte, wie sie das Grinsen erwiderte. Das
letzte Mal, als das Polizeilabor sie daheim angerufen hatte, war mitten im
schlimmsten Streit zwischen ihr und Celluci gewesen „Mit einer anderen
Ansage."
„Wie schade." Rajeet stieß einen übertriebenen
Seufzer der Enttäuschung aus, als Vicki zur Tür ging. „Ich habe ein paar der
Stellen vergessen, an die er sich deinen Aussagen nach sein Dienstbuch
hinschieben kann." Sie salutierte andeutungsweise - eine Erinnerung an
alte Zeiten, als Vicki noch eine eifrige junge Frau in Uniform gewesen war -,
und ging wieder an den Bericht, den sie vor der Unterbrechung erstellt hatte.
Als sie den Gang entlangging und die vertrauten
weißen Kacheln des Korridors sie wie alte Freunde umgaben, erwog Vicki, durch
den Tunnel ins Hauptquartier zu gehen und zu sehen, ob Celluci am Schreibtisch
war. Sie konnte ihm von den Spalten erzählen, herausfinden, ob er ihr noch
weitere Informationen vorenthalten hatte und... nein. Angesichts seiner
Stimmung bei ihrer letzten Unterhaltung und angesichts dessen, daß er am
Wochenende nicht angerufen hatte, würde sie ihn, wenn sie jetzt auftauchte,
nur bei der Arbeit stören, und das war etwas, was keiner von ihnen je getan
hatte. Die Arbeit ging vor, und die Spalten waren nur weitere Fragen, keine
Antworten.
Sie war schon fast aus dem Gebäude, als ihr
auffiel, daß der Gedanke daran, einen anderen Bullen an ihrem ehemaligen
Schreibtisch sitzen zu sehen, ihre Entscheidung in keiner Weise beeinflußt
hatte. Mit dem vagen Gefühl, ihre Vergangenheit verraten zu haben, zog sie
wegen der Kälte des Spätnachmittags die Schultern hoch und machte sich auf den
Heimweg .
Schon seit Jahren hatte Vicki vor, sich ein
wirklich gutes mehrbändiges Lexikon zu kaufen. Schon seit Jahren schob sie es
vor sich her. Die Ausgabe, die sie besaß, hatte sie in einem
Lebensmittelgeschäft für 5 Dollar 99 pro Band mit je 10 Dollar an Lebensmitteln
gekauft. Sie hatte nicht besonders viel über Vampire zu sagen.
„Legendäre Kreaturen, aha, Zentraleuropa, Vlad der
Pfähler, Bram Stoker... " Vicki schob ihre Brille die Nase hoch und
versuchte, sich an die Eigenschaften von Stokers Dracula zu erinnern. Sie hatte
den Film vor Jahren gesehen und glaubte sich zu erinnern, das Buch eventuell in
der High School gelesen zu haben — vor etwa ein oder zwei Lebzeiten.
„Er war stärker, schneller, seine Sinne waren
schärfer... " Sie zählte die Punkte an ihren Fingern ab. „Er schlief
tagsüber, kam nur bei Nacht heraus und hing mit einem Kerl herum, der Fliegen
aß. Und Spinnen." Sie machte ein angeekeltes Gesicht und wandte sich
wieder dem Lexikon zu.
„Der Vampir", las sie, „konnte sich angeblich
in Fledermäuse, Wölfe, Nebel oder Dunst verwandeln." Die Fähigkeit, sich
in Nebel oder Dunst zu verwandeln, würde die Spalten erklären, wurde ihr klar.
Da das Blut des Opfers schwerer war, würde es ausfallen und den engen Durchgang
bedecken. „Und eine Kreatur, die sich aus dem Grab erhebt, sollte keine
Schwierigkeiten haben, sich durch Erde zu bewegen." Sie benutzte eine alte
Telefonrechnung als Lesezeichen, hievte sich aus dem Sessel und schaltete
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