Huff, Tanya
sei am Ende der Straße irgendetwas
gestorben. Wie die alte Frau, die letztes Jahr in der dritten Augustwoche
gefunden worden war, die aber in ihrem kleinen, stickigen Zimmer bereits um den
1. Juli herum ermordet worden war.
Sie konnte den Motor hören, Bewegung auf dem Kies
und ein Geräusch, das sie nicht identifizieren wollte.
Das Böse, das im U-Bahn-Tunnel gelauert hatte, war
nur ein schwacher Abglanz des Bösen gewesen, das hier auf sie wartete.
Ein Schatten, dessen Abmessungen unbestimmt waren,
glitt zwischen Vicki und den Rücklichtern vorbei.
Vicki tastete sich mit der linken Hand an einer
Wand mit falscher Backsteinverkleidung entlang und hielt in der Rechten die
Taschenlampe wie den Griff einer Lanze vor sich ausgestreckt. So hastete sie
mit polternden Schritten die Einfahrt hoch und hörte nicht auf die kleine,
schrille Stimme der Vernunft, die wissen wollte, was genau sie sich eigentlich
dabei dachte.
Etwas kreischte, und das Geräusch trieb sie ein
halbes Dutzend Schritte zurück.
Alle Hunde in der Nachbarschaft begannen zu heulen.
Vicki ignorierte den kalten Schweiß auf ihrem Leib
und den Knoten der Angst, der jeden Atemzug zum mühseligen Kampf machte. Sie
zwang sich, vorwärts zu gehen; die sechs Schritte wieder aufgeholt, dann sechs
weitere...
Halb über den Kofferraum des Wagens gestreckt
schaltete sie ihre Taschenlampe ein.
Das Entsetzen flackerte knapp hinter dem äußersten
Ende des Strahls auf, wo ein hölzernes Garagentor planlos an einem einzigen
verbogenen Scharnier hing. Finsternis schien sich in der Finsternis zu bewegen,
und Vickis Verstand schreckte so schnell und mit so blinder Panik davor zurück,
daß er sie davon überzeugte, daß dort überhaupt nichts lauerte.
Im Lichtstrahl kauerte ein junger Mann, einen Arm
erhoben, um seine Augen vor dem blendenden Licht zu schützen. Zu seinen Füßen
lag ein Körper; ein bärtiger Mann, Ende dreißig, Anfang vierzig, aus dessen
zerfetzter Kehle immer noch Blut floß, das auf dem Kies dicker wurde und
gerann. Er war tot gewesen, ehe er aufschlug, denn nur die Toten fallen mit
dieser völligen Mißachtung ihrer Selbst, die ihnen das Aussehen weggeworfener
Marionetten verleiht.
All das nahm Vicki mit einem Blick wahr. Dann stand
der Kauernde auf, sein offener Mantel blähte sich um ihn wie große, lederne
Flügel. Er kam einen Schritt auf sie zu, sein Gesicht verzerrt und die Augen
fast gänzlich zugekniffen. Blut hatte seine Handflächen und Finger mit einem
glänzenden Rot befleckt.
Vicki fummelte in ihrer Tasche nach dem schweren
Silberkruzifix, das sie am Nachmittag gekauft hatte - und nicht wirklich, Gott
helfe ihr, geglaubt hatte, es zu benötigen - und holte tief Luft, um nach
Verstärkung zu schreien. Oder einfach nur zu schreien. Sie fand nie heraus,
was von beidem, denn er machte einen weiteren Schritt auf sie zu, und das war
alles, was sie für einige Zeit sah.
Henry fing die junge Frau auf und ließ sie sanft
auf den Kies gleiten. Er hatte das nicht gewollt, aber er konnte nicht
zulassen, daß sie schrie. Es gab zu vieles, was er der Polizei nicht erklären
konnte.
Sie hat gesehen, wie ich mich über die Leiche
beugte, dachte er, als er die Taschenlampe ausschaltete und in ihre Handtasche
schob. Seine überempfindlichen Augen begrüßten die Rückkehr der Nacht. Sie
fühlten sich an, als seien sie mit glühenden Eisen durchstochen worden. Sie hat
mich außerdem ziemlich gut gesehen. Verdammt
nochmal. Der gesunde Menschenverstand riet ihm, sie zu töten, bevor sie eine
Gelegenheit hatte, ihn zu entlarven. Er war stark genug, um es aussehen zu
lassen, als ob es keinen Unterschied zu den anderen Todesfällen gäbe. Dann wäre
er wieder sicher.
Henry drehte sich um und blickte über den Leichnam
hinweg - jetzt totes Fleisch, nicht mehr - auf den aufgerissenen Erdboden der
Garage, wohin der Mörder geflohen war. Diese Nacht hatte bewiesen, daß er nicht
die Verantwortung für die Todesfälle trug.
„Verdammt nochmal!" Er sagte es diesmal laut,
als näherkommende Sirenen und eine zuschlagende Wagentür am Ende der Auffahrt
ihn daran erinnerte, daß unbedingt sofort gehandelt werden mußte. Er ging auf
ein Knie, lud sich die bewußtlose Frau auf die Schulter und packte ihre Tasche
mit seiner freien Hand. Das Gewicht stellte kein Problem dar, wie alle seiner
Art war er unverhältnismäßig stark, aber ihre lose herabbaumelnde Länge war
gefährlich sperrig.
„Verdammt groß in diesem Jahrhundert",
murmelte er, übersprang
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