Huff, Tanya
sollte doch zu
Staub zerfallen!"
Roger ging zwei Schritte zurück und erbrach sich
geräuschvoll.
Zehn
„Erhebt euch für das Wort des Herrn. Heute lesen wir
aus dem Evangelium nach Matthäus, Kapitel achtundzwanzig, Verse eins bis
sieben."
„Gepriesen sei das Wort des Herrn."
„Als der Sabbat um war und der erste Tag der Woche
anbrach, kamen Maria Magdalena und die andere Maria, das Grab zu besehen. Und
siehe, es geschah ein großes Erdbeben. Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel
herab, trat hinzu und wälzte den Stein von der Tür und setzte sich darauf. Und
seine Gestalt war wie der Blitz und sein Kleid weiß wie Schnee. Die Hüter aber
erschraken vor Furcht und wurden, als wären sie tot. Aber der antwortete und
sprach zu den Frauen: Fürchtet euch nicht! Ich weiß, daß ihr Jesus, den
Gekreuzigten, suchet. Er ist nicht hier; er ist auferstanden, wie er gesagt
hat. Kommet her und sehet die Stätte, da der Herr gelegen hat; und gehet eilend
hin und sagt es seinen Jüngern, daß er auferstanden sei von den Toten. Und
siehe, er wird vor euch hingehen nach Galiläa; da werdet ihr ihn sehen. Siehe,
ich habe es euch gesagt. Hier endet die Lesung."
Das Gloria hob fast das Dach von der Kirche, und
genau in diesem Moment reichte der Glaube an das ewige Leben, wie es der Gott
der Christen versprochen hatte, aus, um einen schimmernden Wall zwischen der
Welt und den Mächten der Finsternis zu errichten.
Zu schade, daß er nicht halten würde.
„Zurücktreten bitte. Machen Sie Platz."
Die Hände mit Handschellen hinter den Rücken
gefesselt wurden die Brüder aus der Polizeiabsperrung heraus und in die Gasse
gebracht. Neugierige Nachbarn drängten vor und zurück wie ein wogendes Meer, das
sich an einer Mauer aus blauen Uniformen bricht. Keiner der Männer beachtete
die Zuschauer. Roger, der nach Erbrochenem roch, würgte fortwährend trocken,
und William weinte lautlos, die Augen fast geschlossen. Sie wurden, nicht
allzu sanft, in einen der Streifenwagen geschoben, während ein halbes Dutzend
Medienkameras klickte.
Zwei der Constables, die die gerufenen Fragen der
Reporter ignorierten, kletterten in den Wagen und fuhren mit jaulender Sirene
vorsichtig die überfüllte Seitengasse entlang. Die anderen beiden verschmolzen
mit der Masse der lebendigen Mauer, die den Blick auf den Hof versperrte.
„Niemand spricht mit den Medien", hatte der für den Fall zuständige Ermittler
erklärt, und sein Tonfall hatte keinen Widerspruch geduldet.
Die Leiche kam als nächstes heraus. Das Holpern der
Bahre bewegte sie in einer makabren Parodie von Leben im Leichensack. Ein
Dutzend Lungen atmete aus, die Kameras klickten wieder und über allem leierte
ein Fernsehreporter seine Live-Berichterstattung herunter. Der schwache
antiseptische Geruch der Ausrüstung des Gerichtsmediziners hinterließ in der
feuchten Morgenluft eine fast sichtbare Spur.
„Ich hab' sie gesehen, bevor die Cops sie in den
Sack gestopft haben", vertraute eine Nachbarin einem begierig lauschenden
Publikum an. Sie machte eine Pause, genoß das Gefühl der Macht und raffte ihren
Frühjahrsmantel enger über ihrem buntkarierten Flanellnachthemd zusammen.
„Ihr Gesicht war völlig eingeschlagen, und ihre Beine waren gespreizt."
Und weise nickend fügte sie hinzu: „Sie wissen ja, was das bedeutet."
Die Zuhörer wiederholten ihr Nicken.
Als der Wagen des Gerichtsmediziners davonfuhr,
löste sich die Polizeibarrikade in einzelne Männer und Frauen auf, die eilig
aus dem Weg gingen, als Mike Celluci und sein Partner aus dem Hof traten.
„Nehmen Sie die Aussagen von jedem auf, der etwas
gesehen hat oder glaubt, etwas gesehen zu haben", befahl Celluci. Zu jeder
anderen Zeit hätte er sich über die Reaktion amüsiert, die dies bei der Menge
hervorrief, denn die Hälfte von ihnen plusterte sich auf, während die andere
Hälfte leise davonschlich. Aber heute morgen war er alles andere als amüsiert.
Die völlige Sinnlosigkeit dieses Mordes versetzte ihn in einen derart kalten
Zorn, daß er bezweifelte, daß ihm jemals wieder warm werden würde.
Die Reporter, für die die Story mehr Realität besaß
als das, was tatsächlich passiert war, drängten vorwärts und verlangten
irgendeine Verlautbarung von der Polizei. Die beiden Ermittler der
Mordkommission drängten sich schweigend durch sie hindurch, bis sie zu ihrem
Wagen kamen, und ein rudimentärer Selbsterhaltungstrieb hielt die Reporter
davon ab, sich ihnen in den Weg zu stellen.
Als Celluci seine
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