Huff, Tanya
Kameramann.
„Nein, schone deine Batterien." Mit einem
triumphierenden Grinsen wählte die Reporterin 911. „Wir kriegen bestimmt jede
Menge tolle Sachen vor die Linse, wenn die Polizei eintrifft."
Vierzehn
Beim ersten Klingeln schnappte Tony sich den Telefonhörer.
„Henry?"
„Hast du auf meinen Anruf gewartet?"
„Ich habe mir den Wecker auf eine halbe Stunde vor
Sonnenaufgang gestellt, damit ich gleich drangehen kann, falls du
anrufst." Gähnend schob sich Tony das Kopfkissen so zurecht, daß er sich
bequem dagegenlehnen konnte. „Habt ihr Celluci gefunden?"
„Detective Celluci befindet sich sicher und wohlbehalten
in Vickis Obhut, und sie besteht darauf, daß er den heutigen Tag im Bett
verbringt und sich erholt."
„Wovon erholt?"
„Im wesentlichen von Blutverlust."
„Wie bitte?"
„Er hat offenbar unfreiwillig ziemlich viel Blut
gespendet."
Tony lief ein Schauder über den Rücken. „Mann, dann ist
Vicki wohl ziemlich sauer, was?"
„Das kann man sagen, und dann haben wir noch Swanson
erwischt."
„Prima! Heißt das, keine Geister mehr?"
„So Gott will. Tony?"
Henry hatte derart betreten und peinlich berührt
geklungen, daß Tony schon ahnte, welche Bitte als nächstes folgen würde.
Niemand konnte behaupten, dem unehelichen Sohn Heinrichs VIII. sei die
Anpassung an das zwanzigste Jahrhundert nicht gelungen; dennoch gab es einige
Dinge, mit denen der Vampir einfach nicht zurechtkam.
„Ist es dir unter Umständen möglich, auf dem Weg zur
Arbeit kurz hier vorbeizuschauen und das Videogerät so einzustellen, daß es mir
die Nachrichtensendungen des Tages aufzeichnet?"
„Henry! Ich habe dir doch schon mindestens hundert Mal
gezeigt, wie das geht!"
„Diese Tatsache ist mir durchaus bewußt."
Tony unterdrückte ein weiteres Gähnen und wünschte, er
hätte sich vorsichtshalber eine Thermoskanne Kaffee neben das Bett gestellt.
„Henry - was willst du nur tun, wenn ich nicht mehr da bin?" Nicht mehr
da bin - die Worte hinterließen ein unbehagliches Echo in der nun folgenden
Stille. Nicht mehr da bin - so dramatisch hatte es Tony wirklich nicht
sagen wollen. Es ist einfach zu früh am Morgen. Da
arbeitet mein Hirn noch nicht voll. Ergeben schloß Tony die Augen.
„Henry?"
„Soll ich denn darum kämpfen, dich behalten zu
dürfen?" Die Worte klangen verführerisch und gefährlich, wie dunkle
Wasser - auch wenn es sich fast so anhörte, als hätte Henry die Frage nicht an
Tony, sondern mehr an sich selbst gerichtet.
„Henry, bitte, nicht..." Was nicht? Tony hätte den
Satz nicht beenden können, also ließ er es.
„Wenn du nicht mehr da bist", sagte Henry nach einer
kleinen Weile und klang nicht mehr wie der Prinz der Menschheit oder der Fürst
der Finsternis, sondern ganz einfach wie Henry, ein etwas einsamer Henry,
„wirst du mir fehlen, und ich werde, wie Vicki es bei mir getan hat, darauf
bestehen, in der Distanz zwischen uns keinen Grund zur Beendigung unserer
Freundschaft zu sehen. Wenn Vicki und ich es schaffen, zusammenzusein, dann
sollten wir beide es doch schaffen, getrennt voneinander zu leben."
Tony tastete auf dem Boden neben dem Sofabett nach etwas,
das sich zum Naseputzen eignete. Dann brachte er ein wackliges kleines Lachen
zustande. „He! Ich habe dir doch immer schon gesagt, daß unsere Vicki eine verdammt
schlaue Vampirin ist."
„Du hast gesagt, sie sei eine verdammt furchterregende
Vampirin."
„Das ist doch dasselbe! Ich, ich sehe dich noch, ehe ich
abhaue."
„Ja."
In diesem Wort lag ein Versprechen, das Tony beben ließ.
Dr. Mui hatte am Ende der Auffahrt zu ihrem Haus
angehalten und wartete darauf, daß der Verkehr nachließ und sie sich einfädeln
konnte; da pochte es an die Fensterscheibe ihres Autos. Erstaunt wandte sie den
Kopf.
Patricia Chou preßte ihr Kontaktmikrophon gegen die
Scheibe des Fensters auf der Fahrerseite. „Dr. Mui, heute morgen hat man
Ronald Swanson neben der Leiche eines gewissen Richard Sullivan angetroffen;
Sullivan arbeitete für Sie als Pfleger im Projekt Hoffnung.11 Nicht einmal
feinste deutsche Ingenieurskunst konnte verhindern, daß die Stimme der
Reporterin bis in das Wageninnere drang. „Möchten Sie dazu eine Stellungnahme
abgeben?"
Ungläubig schüttelte Dr. Mui den Kopf, fuhr das Fenster
einen halben Zentimeter weit herunter und sagte kurz und knapp, wobei sie es
vermied, mit
dem Kameraobjektiv, das sich jetzt über die Schulter der
Reporterin schob, direkten Blickkontakt aufzunehmen: „Junge Frau, Sie
Weitere Kostenlose Bücher