Huff, Tanya
schön
frustrierend."
„Haben Sie eine Ahnung, wohin diese Menschen gegangen sein
könnten?"
„Vielleicht nach Osten, irgendwohin? Hoffentlich
heim." Sie blickte nachdenklich, als würde sie Menschen vor sich sehen,
die Mike natürlich nicht sehen konnte. „Aber leider muß ich wohl annehmen, daß
die meisten von ihnen auf die eine oder andere Art in den Statistiken der
Polizei gelandet sind."
Als Mike das zerknitterte Foto aus dem Autopsiebericht aus
der Tasche zog, schüttelte sie den Kopf. „Nein. Von meinen Leuten ist das
keiner."
Mike hatte schon Lügner getroffen, die ebenso überzeugend
geklungen hatten und fast ebenso schön gewesen waren; dennoch glaubte er der
Ärztin.
Nun stolperte eine Frau, die eindeutig unter Drogeneinfluß
stand, schmerzverkrümmt in die Klinik und rief lauthals nach einem Doktor.
Celluci verabschiedete sich hastig, auch wenn er bezweifelte, daß irgend jemand
ihm noch Beachtung schenkte, und ging. Auf seinem Weg zurück zum Auto mußte er
einen Anflug von Melancholie bekämpfen. In der Regel war er einmal im Monat mit
Vicki zusammen Dim Sum essen gegangen, und oft waren sie in ihrem kleinen
Lieblingsrestaurant im ersten Stock die einzigen weißen Gäste gewesen und
hatten den Rest der Kundschaft um einige Zentimeter überragt. Manchmal waren
die älteren Serviererinnen, die das Essen verkauften, an ihrem Tisch
vorbeigelaufen und hatten, energisch den Kopfschüttelnd, gemurmelt: „Das wollen
Sie bestimmt nicht."
Dim Sum essen gehen: etwas, was sie nie wieder zusammen
würden tun können.
Ein Strafmandat über zwanzig Dollar wegen falschen Parkens
half da auch nicht gerade.
Der Verkehr wurde erst ruhiger, als der Detective schon fast
an seinem Ziel, der öffentlichen Bücherhalle, angekommen war ...
In der 14. Division der Polizei von Toronto hatte es, als
Celluci noch in Uniform steckte, einen alten Sergeanten gegeben, der nie müde
wurde, den jungen Beamten seine Lieblingserkenntnis einzubleuen: „Wird dieselbe
Person während einer einzigen Ermittlung dreimal von verschiedenen Zeugen
erwähnt, dann sollt ihr diese Person festnageln, denn damit habt ihr den
Schweinehund, der das Verbrechen auf dem Kerbholz hat."
Zweimal war der Name Ronald Swanson bisher aufgetaucht.
Ein paar Nachforschungen, und Celluci hatte den Namen der
Klinik, die Patricia Chou erwähnt hatte: „... eine Privatklinik, in der
Menschen im Endstadium des Nierenversagens auf eine Niere warten können
..." In alten Ausgaben der Wochenzeitung Business in Vancouver konnte
Celluci nachlesen, daß sich Ronald Swanson für die Planung und den Bau der
Klinik verantwortlich zeichnete, im Aufsichtsrat dieser Institution saß und
einen Gutteil der laufenden finanziellen Unterstützung zur Verfügung stellte.
Projekt Hoffnung hatte nicht auf der Liste der Kliniken
gestanden, die Celluci im Telefonbuch gefunden hatte, aber das war auch nicht
weiter verwunderlich. Vermutlich brauchte man die Empfehlung eines Arztes, um
dort aufgenommen zu werden.
Erschöpft rieb sich Celluci die Augen. Er verließ den
fensterlosen kleinen Raum, in dem sich die Mikroficheanlage der Bibliothek
befand, zog eine Telefonkarte aus dem Portemonnaie und rief von der
öffentlichen Telefonzelle im Eingangsbereich der Bücherhalle aus im Projekt
Hoffnung an. Ohne sich weiter namentlich vorzustellen, erkundigte er sich bei
der Person, die den Hörer abnahm, ob zum Personal der Klinik ein Chirurg
gehöre, der Transplantationen vornehmen konnte. Die kühle, professionell
klingende Stimme der Schwester am Telefon teilte ihm mit, dies sei der Fall.
Celluci dankte der Frau und hängte ein.
Motiv: Swansons Frau war an Nierenversagen gestorben,
während sie auf eine Transplantation gewartet hatte. Vielleicht wollte sich
Swanson an dem System rächen, das ihn im Stich gelassen hatte. Oder der Tod
seiner Frau hatte ihn mit der Nase auf einen Markt gestoßen, der nur darauf
wartete, ausgebeutet zu werden.
Mittel: Swanson hatte Zugang zu medizinischen Geräten und
Einrichtungen sowie die finanziellen Mittel, sich das erforderliche Personal
zu kaufen.
Gelegenheit: Mal angenommen, Dr. Seto hatte keine Ahnung
davon, daß sie Organspender zur Verfügung stellte. Swansons Firma hatte die
Hastings-Klinik mit Computern ausgestattet. War er in der Lage, sich Zugang zu
deren Unterlagen zu verschaffen und damit zu den Informationen, die er
brauchte? Laut Patricia Chou bekam man geschulte Hacker praktisch an jeder
Straßenecke nachgeworfen, und Studien
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